Krieg gegen die Ukraine Mariupol und Charkiw heftig umkämpft
Russlands Militär geht offenbar äußerst massiv gegen strategisch wichtige Städte in der Ukraine vor. Heftige Kampfhandlungen und schwere Schäden werden aus Mariupol und Charkiw gemeldet. Tausenden Menschen gelang die Flucht über Korridore.
Das russische Militär hat seine Angriffe auf ukrainische Städte fortgesetzt. Besonders umkämpft ist nach wie vor die Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer, wo die russischen Truppen offenbar weiter vordringen konnten. Ein Polizeibeamter der schwer beschädigten Stadt sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur AP, Mariupol sei "wie vom Angesicht der Erde gewischt". Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, was man dieser "friedlichen Stadt" angetan habe, sei "Terror", an den man sich noch Jahrhunderte erinnern werde.
Das russische Militär griff dort zuletzt auch eines der größten Stahlwerke Europas an. "Asowstahl" liegt an der Küste des Asowschen Meeres. Das Werk wurde nach ukrainischen Angaben aus der Luft bombardiert.
Die dortigen ukrainischen Truppen können nach Einschätzung eines Beraters Selenskyjs vorerst nicht auf Unterstützung hoffen. Die nächstgelegenen Streitkräfte seien bereits in Kämpfe gegen die "überwältigende Macht des Feindes" in etwa 100 Kilometern Entfernung verwickelt, sagte Olexij Arestowytsch.
Am Samstag seien mehr als 4100 Menschen aus der Stadt geflohen, schrieb der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram. Nach Angaben eines Stadtrates wurden mehrere Tausend Einwohner von Mariupol nach Russland verschleppt. Vor allem Frauen und Kinder seien mit Gewalt weggebracht worden, teilte der Stadtrat mit. Wohin in Russland die Bewohner geschafft worden sein sollen, wurde nicht erwähnt. Auch diese Angaben sind derzeit nicht überprüfbar.
Aus der Hauptstadt Kiew flohen ukrainischen Angaben nach 1820 Menschen über Fluchtkorridore. Am Samstagabend heulten dort erneut die Sirenen, wie Bewohner in Online-Netzwerken mitteilten. Landesweit seien gestern Evakuierungen über acht von zehn Fluchtkorridoren gelungen, sagte die stellvertretende Ministerpräsidentin Iryna Wereschtschuk.
Mehr als 260 getötete Zivilisten in Charkiw
Auch die Stadt Charkiw im Nordwesten wurde am Samstag erneut bombardiert, dabei wurden nach Angaben der örtlichen Behörden ein Mann und ein neunjähriges Kind getötet. Die von russischen Truppen belagerte Stadt, in der vor Kriegsbeginn 1,5 Millionen Menschen lebten, werde weiterhin mit Artillerie beschossen, berichtete die Agentur Unian. Dabei seien am Samstagabend mehrere Wohnhäuser getroffen worden und in Brand geraten.
Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine wurden bei Kämpfen um die Stadt nach Angaben lokaler Behörden 266 Zivilisten getötet.
Hohe Opferzahl in zerstörter Kaserne in Mykolajiw
Nach einem Raketenangriff russischer Truppen auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben. Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die "Ukrajinska Prawda". Knapp 60 Verletzte seien in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Von unabhängiger Seite bestätigt sind diese Informationen nicht.
Der Regionalgouverneur von Mykolajiw, Vitali Kim, sagte in einem auf Facebook veröffentlichten Video, die Russen "führten feige Raketenangriffe auf schlafende Soldaten durch". Er warte auf Informationen über Verluste der ukrainischen Streitkräfte. Der Bürgermeister von Mykolajiw, Oleksij Senkewjtsch, sagte ukrainischen Medien, seine Stadt sei aus der benachbarten, von Russland kontrollierten Region Cherson bombardiert worden. "Die Bombardierung geschieht zu schnell, um sie zu erfassen und das Alarmsystem in Gang zu setzen."
Rund um Mykolajiw kommt es derzeit zu heftigen Kämpfen. Die Stadt gilt als strategisch wichtig, weil sie vor der großen Hafenstadt Odessa liegt. Odessa selbst wurde bislang von Angriffen verschont. Sollten die russischen Truppen auch dort die Kontrolle übernehmen, könnten sie die Ukraine vom Zugang zum Schwarzen Meer abschneiden.
Tschernihiw: Bürgermeister berichtet von katastrophaler Lage
Der Bürgermeister von Tschernihiw wies in einem dramatischen Appell auf die prekäre Lage in der von russischen Truppen eingekesselten nordukrainischen Stadt hin. "Der wahllose Artilleriebeschuss der Wohngebiete dauert an, dabei sterben friedliche Menschen", sagte Wladislaw Atraschenko nach Angaben der Agentur Unian.
Die Stadt erlebe gerade eine humanitäre Katastrophe. "Es gibt keine Stromversorgung, kein Wasser, keine Heizung, die Infrastruktur der Stadt ist vollständig zerstört." Auch das Krankenhaus der 300.000-Einwohner-Stadt werde wiederholt beschossen, daher sei auch die medizinische Versorgung zusammengebrochen. Zudem sei bisher kein Fluchtkorridor für die Stadt eingerichtet worden.
Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums gab es von Seiten der russischen Streitkräfte seit Kriegsbeginn am 24. Februar 291 Raketenangriffe und 1403 Luftangriffe.