Westbalkan und die EU "20 Jahre nicht Himmel, nicht Hölle"
Die Staaten des Westbalkans warten seit vielen Jahren auf den EU-Beitritt. Die ungeklärte Perspektive sorgt bei ihnen für Frust. Profitieren sie nun vom wahrscheinlichen Kandidatenstatus der Ukraine?
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen steht im Wort. Auf dem letzten Westbalkan-Gipfel im slowenischen Brdo findet sie im vergangenen Oktober eindringlich warme Worte für das halbe Dutzend Westbalkan-Länder, das auch gerne zur EU-Familie gehören würde:
"Meine Botschaft an den Westbalkan ist: Wir möchten Euch in der Europäischen Union haben. Jetzt Kurs halten, nicht aufgeben, weitermachen! Das Ziel ist vor den Augen."
Nicht schon wieder das Gleiche
Sich jetzt in Brüssel noch mal das Gleiche anzuhören, darauf hatten sie in Serbien, Albanien und Nordmazedonien erst keine rechte Lust und wollten lieber zu Hause bleiben. Alle drei sind EU-Kandidaten, Nordmazedonien schon seit 2005.
Nordmazedoniens Staatspräsident Stevo Pendarovski formuliert ernüchtert: "Ich weiß, dass der Balkan in der EU keine Priorität hat. Aber wir sind jetzt seit 20 Jahren nicht hier und nicht dort, nicht im Himmel, nicht auf der Erde."
Nun blockiert Bulgarien
In Brüssel ist er jetzt doch - nachdem sein kleines Land jahrelang hart Kurs gehalten, sich von Mazedonien in Nordmazedonien umbenannt hat, damit das EU-Land Griechenland sein Veto aufgibt. Und jetzt: blockiert das EU-Nachbarland Bulgarien wegen eines in Brüssel schwer nachvollziehbaren Sprachenstreits.
Kurz keimte Hoffnung, als der Harvard-Absolvent und Quereinsteiger Kiril Petkow Ministerpräsident in Sofia wurde. Aber das ist auch schon wieder vorbei und Petkow über ein Misstrauensvotum gestürzt - wenige Stunden vor dem Westbalkan-Gipfel.
Einer seiner Bündnispartner habe seine Nordmazedonien-Politik nicht mittragen wollen, sagt Petkow kurz nach seinem Sturz der ARD und erinnert an sein Versprechen: "Die Position unserer Partei ist: Nordmazedonien sollte Teil der Europäischen Union sein. Aber die letzte Entscheidung muss das Parlament treffen." Doch in diesem Parlament hat Petkow gerade seine Mehrheit verloren.
Was der Krieg gegen die Ukraine verändert hat
Seit dem letzten Westbalkan-Gipfel hat sich viel verändert. Russland hat die Ukraine angegriffen, die Ukraine und Moldau werden deshalb den EU-Kandidatenstatus bekommen, sozusagen auf der Überholspur. Das sollte auch für den Westbalkan einiges beschleunigen, meinen die betroffenen Länder, aber auch EU-Partner wie Deutschland oder Österreich.
Vernehmbaren Frust wegen der Überholer versucht Kosovos Außenministerin Donika Gervella-Schwarz freundlich wegzureden. Die Ukraine befinde sich eben "in einem brutalen Krieg", und da sei es die gemeinsame Haltung der meisten Kollegen auf dem westlichen Balkan, wenn auch nicht aller: "Wenn ein Kandidatenstatus der Ukraine hilft, diesen Krieg zu gewinnen, dann ist der westliche Balkan die allerletzte der Region, die sich dem in den Weg stellt."
Was man vom langen Warten hat
Kein unlauterer Wettbewerb mit der Ukraine, das ist ihre Botschaft, im Interview mit dem "Deutschlandfunk". Aber sie hat auch eine Botschaft an EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, von wegen "nicht aufgeben":
Das haben sie davon, wenn sie lange warten und sich auf Partner verlassen, die sagen: 'Wartet noch ein bisschen, wartet noch ein bisschen, weil irgendwann kommt Eure Zeit.' Wir werden uns in diesem Jahr um den Kandidatenstatus bewerben.
Und vorher wäre es schön, meint sie, wenn die EU ein Jahre altes Versprechen einlösen würde: Visafreiheit für die Menschen im Kosovo. Aus ihrer Sicht ein Prüfstein für die EU. Die Chancen dafür stehen, wie man hört, fifty-fity.