Kontrolliertes Ablassen von Wasser beim Staudamm Klaus am Steyrfluss in Österreich.

Deutsche Nachbarländer Österreich erwartet das Jahrhunderthochwasser

Stand: 14.09.2024 19:37 Uhr

Schwerer Regen versetzt mehrere Regionen Österreichs in den Ausnahmezustand. Auch Polen und Tschechien kämpfen gegen Wassermassen - und evakuieren erste Dörfer. Vergleichsweise entspannt ist die Lage noch in Deutschland.

In Österreich haben Einsatzzentralen wegen der schweren Regenfälle mehr als ein Dutzend Gemeinden zum Katastrophengebiet erklärt. Im Waldviertel rund 120 Kilometer nordwestlich von Wien wird Hochwasser erwartet, wie es im langjährigen Durchschnitt nur alle 100 Jahre vorkommt.

"Die kommenden Stunden werden für den Hochwasserschutz die Stunden der Wahrheit und für unsere Einsatzkräfte und zahlreiche Landsleute zu einer massiven Belastungsprobe", warnte die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner. Gerade im Waldviertel erwarte man "Herausforderungen in historischer Dimension".

Kritische Lage am Stausee Ottenstein

Bereits am Freitagabend gab es in einigen Gemeinden erste Evakuierungen. Allein im Bundesland Niederösterreich rückte die Feuerwehr über Nacht zu 160 Einsätzen aus, vor allem wegen Sturmschäden.

Befürchtet wird, dass der Stausee Ottenstein überlaufen könnte. Dort wird schon seit Montag Wasser abgelassen, um mehr Raum zu schaffen, sagte der Sprecher des Energieversorgers EVN. Ein Überlaufen würde an dem Donau-Zufluss Kamp Hochwasser auslösen. Im Unterlauf des Flusses könnten die Werte für ein 100-jährliches Hochwasser übertroffen werden.

Menschen bereiten sich in den deutschen Nachbarländern auf starkes Hochwasser vor

Anna Tillack, ARD Wien, tagesschau, 14.09.2024 12:00 Uhr

Bahn und Autoklub raten von Reisen ab

Der stärkste Regen wurde im Gebiet von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland über Oberösterreich, den Großteil von Salzburg und der Obersteiermark bis zum Tiroler Unterland erwartet. Die Österreichische Bahn hatte am Donnerstag vor "Abweichungen und Verspätungen im Zugverkehr" gewarnt und Fahrgäste aufgerufen, bis einschließlich Sonntag "nicht dringende Reisen auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben".

Mehrere Straßen waren wegen umgestürzter Bäume oder liegengebliebener Fahrzeuge blockiert. Andere Routen, wie etwa die Großglockner Hochalpenstraße, wurden aus Sicherheitsgründen geschlossen. In manchen Gebieten galt Schneekettenpflicht.

"Morgen kommt ein neues größeres Regengebiet", Andreas Wagner, HR, zur Unwetterlage

tagesschau24, 14.09.2024 16:00 Uhr

Polen: Höchste Alarmstufe in mehreren Regionen

Im Südwesten Polens ging seit Freitagmorgen mehr Regen nieder als beim "Jahrtausendhochwasser" 1997. In Jarnoltowek in der Region Oppeln waren es innerhalb von 24 Stunden 161,5 Millimeter, wie das Meteorologische Institut (IMGW) mitteilte. Das waren 30 Millimeter mehr als der bisherige Rekordwert. Landesweit sei die Alarmstufe an 47 Pegelmessstationen überschritten worden. Der Bürgermeister von Jarnoltowek ordnete die Evakuierung von Bewohnern an, deren Häuser unterhalb eines Staubeckens liegen. Dieses drohte überzulaufen.

Die schlesische Stadt Oppeln richtet sich auf eine Flutwelle in der Oder ein. Der Wasserstand werde am Sonntagmorgen etwa fünf Meter betragen, teilte die Stadtverwaltung mit. Bis Montag könne er auf maximal sechs Meter steigen. Eine Gefahr für die Bevölkerung durch das Hochwasser bestehe derzeit nicht.

Auch Polens zweitgrößte Stadt Krakau kämpft nach starken Regenfällen mit Überschwemmungen. Der öffentliche Nahverkehr in der Metropole mit rund 800.000 Einwohnern war vorübergehend gestört, nachdem mehrere Unterführungen im Zentrum mit Wasser vollgelaufen waren. Am Nachmittag meldete die Stadtverwaltung, dass die Probleme behoben worden seien.

Polens Regierungschef Donald Tusk wollte am Abend an einer Sitzung des Krisenstabs in Nysa teilnehmen. "Vor uns liegt eine kritische Nacht, volle Mobilisierung ist nötig", schrieb Tusk auf X. Feuerwehrleute, Soldaten, Polizisten, Beamte der lokalen Behörden und alle staatlichen Stellen seien im Kampf gegen das Hochwasser engagiert. 

Mehrere Tote in Rumänien

Auch im Osten Rumäniens ist es nach heftigen Regenfällen zu Überschwemmungen gekommen. In den Landkreisen Galati und Vaslui seien mindestens vier Menschen ums Leben gekommen, teilte die Katastrophenhilfe mit. In der am schlimmsten betroffenen Region des Landes seien zudem etwa 5.000 Häuser beschädigt worden.

Dutzende Menschen mussten in der Gegend mit Booten oder aus der Luft aus überschwemmten Häusern in Sicherheit gebracht werden. Ein Sturm hatte zuvor Bäume umgeknickt und Straßen unpassierbar gemacht.

Rumäniens Regierungschef Marcel Ciolacu sagte seine Pläne am Samstag ab, um sich in Galati ein Bild von der Lage zu machen. Umweltminister Mircea Fechet sagte der Nachrichtenagentur AP, dass in einigen Gegenden mehr als 160 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen seien. "Im Moment versuchen wir, so viele Leben wie möglich zu retten", sagte Fechet, bevor er ebenfalls nach Galati reiste.

Tschechien: Häuser und Straßen überflutet

Auch in Tschechien ist die Lage angespannt. In der östlichen Region Mährisch-Schlesien müssen nach Einschätzung der Behörden Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden. Dort und in der Region um Olomouc (Olmütz) wurde eine Gefahrenlage ausgerufen.

Selbst kleine Bäche verwandelten sich in reißende Ströme. Mancherorts mussten Menschen mit Booten in Sicherheit gebracht werden. Bilder zeigten überflutete Straßen mit schwimmenden Autos.

Danko Handrick, ARD Prag, mit Informationen über die Hochwasserlage in Tschechien

tagesschau, 14.09.2024 17:00 Uhr

Zehntausende ohne Strom

Wegen der Hochwasserlage musste außerdem eine Klinik evakuiert werden. Mehr als 180 Patienten des Krankenhauses in Brünn (Brno) sollten nach und nach in andere Einrichtungen gebracht werden, wie die Leitung der Klinik mitteilte.

Zwischenzeitlich waren in Tschechien offenbar mehr als 60.000 Haushalte ohne Strom. Das berichtete die Agentur CTK unter Berufung auf die Energieversorger. Am stärksten betroffen sei der Nordwesten des Landes an der Grenze zu Sachsen. Allein dort waren demnach vorübergehend mehr als 20.000 Haushalte ohne Elektrizität. Als Grund wurde angegeben, dass wegen der durchnässten Böden und des starken Windes Bäume auf die Stromleitungen fielen.

Meteorologen zufolge werden die Pegelstände der Flüsse in Tschechien am Wochenende weiter ansteigen. Mancherorts hat es seit Freitag bereits 50 bis 110 Liter pro Quadratmeter geregnet.

 

Deutscher Alpenrand besonders betroffen

In Deutschland bereiten sich vor allem südliche und östliche Bundesländer auf Überschwemmungen vor. Im Südosten Bayerns gab es bereits kleinere Überschwemmungen. In Oberbayern traten einzelne Bäche über die Ufer, wie ein Sprecher der Polizei berichtete. Im Bayerischen Wald sind ebenfalls die Uferbereiche kleiner Bäche geflutet. Experten warnen allerdings, dass sich Niederschläge an den Flüssen mitunter erst Stunden oder Tage später bemerkbar machen können.

In Passau, wo sich die drei Flüsse Donau, Inn und Ilz treffen, sollte mit ersten Sperrungen in der Altstadt in den Abendstunden gerechnet werden, teilte die Stadt mit. Es werde "dringend davor gewarnt, überflutete Bereiche zu betreten".

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagte "eine bis Sonntagfrüh anhaltende Dauerregensituation am Alpenrand" - teils mit Unwettern - voraus. Verbreitet könnte dies demnach zu Mengen zwischen 40 bis 60 Litern pro Quadratmeter führen, ab dem Chiemgau ostwärts in Staulagen von rund 100 Litern pro Quadratmeter.

Warnung vor Überflutungen und möglichen Erdrutschen

Auch in Sachsen fielen seit Freitag mancherorts binnen 24 Stunden 30 bis 50 Liter Wasser pro Quadratmeter. Im Erzgebirge und in der Oberlausitz waren es zwischen 70 und knapp 100 Liter. Es besteht laut einer Warnung des DWD vom Donnerstag Gefahr durch Überflutungen von Straßen, Unterführungen und gewässernahen Gebäuden sowie durch mögliche Erdrutsche.

An der Elbe in Sachsen werden die höchsten Wasserstände derzeit ab Mittwoch und Donnerstag kommender Woche erwartet. Deswegen drängt die Zeit bei den Abrissarbeiten am eingestürzten Teil der Dresdner Carolabrücke.

Regenfälle durch Tief "Anett"

Ausgelöst werden die Regenfälle durch eine seltene Wetterlage, bei der ein Tief aus dem warmen Mittelmeerraum im Alpenraum auf polare Kaltluft trifft. Solche Entwicklungen führten häufig zu ergiebigen, manchmal auch zu extremen Niederschlägen und Unwettern, erklärt Rainer Behrendt vom ARD-Wetterkompetenzzentrum. Viel Feuchtigkeit vom zuletzt stark überwärmten Mittelmeer begünstigten dies im Fall des Tiefs "Anett" in außerordentlichem Maß.

Martin Adam, ARD Warschau, tagesschau, 14.09.2024 08:46 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 13. September 2024 um 21:45 Uhr.