Finnische EU-Ratspräsidentschaft "Wir müssen endlich einen Weg finden!"
Finnland übernimmt heute die EU-Ratspräsidentschaft. Wchtigstes Ziel: Die EU soll sich endlich auf ein verbindliches Datum für die angestrebte Klimaneutralität einigen.
Wenn Forstbesitzer Jyrki Kosonen durch seinen etwa 35 Hektar großen Privatwald bei Mäntsälä nordöstlich von Helsinki spaziert, achtet er auf jedes Detail. Er kennt beinahe jeden Baum auf seinem Grund und vor allem achtet er darauf, wie die kleinen Sprößlinge wachsen, die er laut finnischem Naturschutzgesetz immer dann pflanzen muss, wenn er alten Baumbestand fällt.
Nachhaltige Forstwirtschaft ist den Finnen wichtig. Zwar beschert sie Kosonen jedes Jahr nur einen relativ kleinen Holzertrag, den er erst zu Bohlen und später zu Möbeln weiterverarbeitet. Aber der Wald sei Finnlands Schatz, sagt er. Auf ihn müsse man achten.
Rund drei Viertel der Fläche Finnlands sind vom Wald bedeckt. Die Holz- und Papierindustrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Land. Aber strenge Umweltschutzbestimmungen sorgen dafür, dass der Baumbestand nicht dezimiert wird.
Der Wald ist Finnlands Trumpf
Laut finnischem Umweltministerium wurden in den letzten Jahren sogar mehr Bäume gepflanzt als gefällt. Denn für den Klimaschutz ist der finnische Wald unersetzbar. Das Staatliche Institut für natürliche Ressourcen errechnete jüngst, dass die Bäume etwa die Hälfte des in Finnland ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids binden.
Der Wald ist Finnlands Trumpf beim Klimaschutz. Und mit einer Klimaschutz-Agenda übernimmt die finnische Regierung ab heute die EU-Ratspräsidentschaft. Die Mitgliedsländer der Europäischen Union müssten sich endlich verbindlich auf das Jahr 2050 für die angestrebte Klimaneutralität einigen, sagt Ministerpräsident Antti Rinne im Exklusiv-Interview mit dem ARD-Studio Stockholm.
"Die Klimafrage ist weltweit die größte Herausforderung. Wir müssen endlich einen Weg finden, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, ansonsten gefährden wir die Zukunft unserer Kinder und Enkel", so der Regierungschef.
Finnland verfolgt ehrgeizige Klimaschutz-Ziele
Bis Ende des Jahres will Finnland eine Einigung erzielen und dabei auch auf die osteuropäischen Mitgliedsstaaten zugehen. Vor allem Polen und Tschechien lehnten ein EU-weit verbindliches Datum für die angestrebte Klimaneutralität bislang ab. Derzeit würden diese Länder prüfen, welche Auswirkungen die angestrebte Regelung auf ihre Wirtschafts- und Energiepolitik habe, sagt Antti Rinne. „Wenn diese Dinge geklärt sind, dann werden sie das Zieljahr 2050 akzeptieren.“
Im eigenen Land verfolgt Rinnes Regierung derweil noch ehrgeizigere Klimaschutz-Ziele. Schon 2035 solle Finnland nur noch so viel Treibhausgas ausstoßen wie es an anderer Stelle einspart, heißt es im kürzlich vorgestellten Regierungsprogramm. Allerdings gibt es auch Kritik an diesem Kurs. Die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" ist seit den finnischen Parlamentswahlen im April 2019 zweitstärkste Kraft im Land hinter Rinnes Sozialdemokraten.
Kritik von der Opposition
Ihr Vorsitzender Jussi Halla-aho, ein ausgewiesener Europakritiker, der 2012 schon einmal wegen Volksverhetzung für islamfeindliche Aussagen verurteilt wurde, hält die Klimadebatte für überzogen. "Finnlands etablierte Parteien kümmern sich nur um die weltweiten Probleme. Das scheint sie mehr zu interessieren, als die Dinge, die hier in Finnland geschehen. Die Rechte unserer Bürger haben sie gar nicht mehr im Blick", sagt er im ARD-Interview.
Bevor man über Klimaschutzziele für Europa diskutiere, sollten die Finnen lieber ihre heimischen Industriebetriebe schützen. Ansonsten würden große Unternehmen nur noch in Asien produzieren. Und dort kümmere sich niemand um den Klimaschutz. Waldbesitzer Jyrki Kosonen aus Mänstsälä findet das zu kurz gedacht.
Der Klimawandel mache nicht an Grenzen halt, vielmehr müsse Europa zusammenstehen bei dieser weltweiten Herausforderung, findet er. Denn die Umwelt sei doch das Kapital der Menschen - das gelte in Finnland genauso wie im Rest der Welt.