EU-Minister und die Flüchlingspolitik Wegschauen geht nicht mehr

Stand: 20.04.2015 16:55 Uhr

Untätigkeit kann sich die EU angesichts der jüngsten Flüchtlingsdramas im Mittelmeer nicht länger leisten. Die Außen- und Innenminister stehen daher bei ihrem Sondertreffen unter großem Handlungsdruck. Am Donnerstag soll es zudem einen EU-Krisengipfel geben.

"Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen" - so oder so ähnlich formulieren es sämtliche EU-Minister am Rande ihres Treffens in Luxemburg. "Wir brauchen eine offene Diskussion ohne Tabus", forderte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die das Thema Flüchtlinge kurzfristig auf die Tagesordnung setzen ließ, erklärte: "Es ist unsere moralische Pflicht als Europäer, zu verhindern, dass diese Tragödien sich wieder und wieder ereignen."

Die EU steht nicht nur in der Kritik. Sie steht auch unter massivem Druck, angesichts immer neuer Tragödien im Mittelmeer, eine Wende in ihrer Flüchtlingspolitik einzuleiten. Die Frage aber ist: Wo anfangen?

Menschenleben retten

"Es gibt eine Priorität", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. "Und die heißt: Menschenleben retten. Wir sehen, dass die Operation 'Triton' nicht genügt. Wir müssen 'Triton' sehr schnell auf die Stufe bringen, die 'Mare Nostrum' hatte", sagte er mit Blick auf die im vergangenen Jahr eingestellte Seenotrettungsmission der italienischen Küstenwache.

Dank "Mare Nostrum" konnten im vergangenen Jahr rund 100.000 Menschenleben gerettet werden. Im Herbst aber entschied die EU, sie auslaufen zu lassen. Zu teuer, fanden die einen. Menschenschmuggler würden dadurch noch bestärkt, fanden die anderen. Die neue, billigere Variante mit dem Namen "Triton" steht nun aber in der Kritik, weil sie in erster Linie Europas Grenzen schützen soll - und nicht Menschenleben retten.

Nach Ansicht Steinmeiers muss sich die EU zunächst bemühen, die Seenotrettung zu verbessern. "Damit weniger Menschen ums Leben kommen."

Libyen stabilisieren

Der deutsche Außenminister will aber den Blick nicht nur auf das Mittelmeer selbst richten, sondern darüber hinaus. Zum Beispiel auf jene Länder Nordafrikas, von denen aus sich die Hilfesuchenden auf ihre lebensgefährliche Reise nach Europa machen. Die meisten versuchen es über das Bürgerkriegsland Libyen.

Libyen sei dabei zu zerfallen, erinnerte Steinmeier. Wenn die EU diesen Prozess nicht unterbreche, setzten sich Schleuserbanden in dem Land fest.

Merkel: Mehr Hilfe für Flüchtlinge im Mittelmeer
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehr Hilfe zugesagt, um die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer in den Griff zu bekommen. Sie kündigte an, beim bevorstehenden Gipfeltreffen der G7-Staaten auf eine verstärkte Beseitigung der Fluchtursachen in afrikanischen Staaten zu drängen. Außerdem müsse der Kampf gegen Schleuser verstärkt werden. "Und wir werden alles tun, um zu verhindern, dass weiter Opfer im Mittelmeer vor unser Haustür umkommen", sagte Merkel auf einer Diskussionsveranstaltung mit Hilfsorganisationen.

Krisen- und Kriegsgebiete politisch stabilisieren, Menschenschmuggler-Banden wirksam bekämpfen: Das sind nur zwei der Vorschläge, die nun kursieren. Gerade aus dem EU-Parlament werden nun aber Stimmen immer lauter, die fordern, die Europäische Union müsse ihre Politik viel grundsätzlicher überdenken. Sie müsse legale - und damit sichere - Wege für Flüchtlinge nach Europa öffnen. Das ist eine schwierige Debatte, weil viele Mitgliedsstaaten genau das nicht wollen.

"Wir stehen vor einer gewaltigen Aufgabe", warnte Steinmeier. "Und ganz schnelle Lösungen wird es nicht geben." Dass es sich die EU, die immerhin Friedensnobelpreisträgerin ist, aber weitere Untätigkeit nicht leisten kann, ist allen Beteiligten auch klar.

Seenotrettungsprogramm
Die italienische Regierung rief 2013 das Seenotrettungsprogramm  "Mare  Nostrum" ins Leben. Ziel war es, Migrantenboote  im Mittelmeer aufzuspüren und in einen sicheren Hafen zu begleiten. Innerhalb eines Jahres wurden laut der Nachrichtenagentur AFP 170.000 Menschen gerettet und 351 Schleuser verhaftet - dennoch ertranken in dieser Zeit mindestens 3330 Flüchtlinge. "Mare Nostrum" kostete den italienischen Staat pro Monat neun Millionen Euro.

Angesichts zunehmender  Flüchtlingszahlen drang Italien darauf, dass die EU die Aufgabe übernimmt, zumal die meisten Migranten in andere EU-Staaten weiterreisen wollen. Ende 2014 wurde "Mare Nostrum" von "Triton " abgelöst, das unter dem Dach der EU-Grenzschutzagentur  Frontex angesiedelt ist. Anders als bei "Mare  Nostrum" sind die Schiffe von "Triton" nicht bis in libysche Gewässer, sondern nur vor der Küste Italiens unterwegs. Sie sollen die Grenzen überwachen und gegen Schlepper vorgehen, aber nicht aktiv nach Flüchtlingen suchen. Das monatliche Budget beträgt 2,9 Mio. Euro.