Beobachter in die Ukraine entsandt EU hält Gasstreit für erledigt
Der Weg für neue Gaslieferungen aus Russland über die Ukraine in die EU ist frei. Beide Seiten stimmten dem Einsatz von Beobachtern zu, die den Transit kontrollieren sollen und schon in der Ukraine eintrafen. Doch Russland stellte neue Bedingungen. Der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek reiste unterdessen zu weiteren Verhandlungen nach Kiew.
Von Christopher Plass, HR-Hörfunkstudio in Brüssel
Wieviel ist eine mündliche Absprache wert? Mit dieser Frage müssen sich die Brüsseler EU-Kommission und Kommissionschef José Manuel Barroso auseinandersetzen. Barroso hatte nachts lange mit dem ukrainischen Präsidenten Wiktor Juschtschenko telefoniert und heute noch einmal mit dem russischen Regierungschef Wladimir Putin. Deswegen gab sich Barroso, zu Gast auf dem CSU-Gipfel in Wildbad Kreuth, optimistisch. Für die EU habe sich der Gasstreit so gut wie erledigt.
Politische Hindernisse beseitigt
"Es gibt keine politischen Hindernisse mehr", verkündete der EU-Kommissionpräsident. "Hoffen wir, dass es keine praktischen Schwierigkeiten mehr gibt. Aber ich versichere, dass ich positiven Geist verspürt habe." Das gelte für das Telefonat mit Putin ebenso wie für das Gespräch mit Präsident Juschtschenko.
In dieser mündlichen Vereinbarung hat die EU ihr Verhandlungsziel erreicht. Sie will, dass Russland wieder Erdgas über die Ukraine in die EU-Staaten liefern kann. Der russische Energiekonzern Gasprom hatte zur Voraussetzung gemacht, dass internationale Beobachter den Durchfluss überwachen. Denn Moskau beschuldigt die Regierung in Kiew, Gas abzuzweigen, weil beide Länder sich nicht auf einen Preis verständigen können.
Barroso und die tschechische EU-Ratspräsidentschaft haben sich das Okay beider Länder für die Entsendung eines Experten-Teams geholt. Dazu sollen auch russische und ukrainische Fachleute gehören, die auch im jeweils anderen Land an den Kontrollen beteiligt werden sollen. So zumindest sei es in den Telefonaten vereinbart worden, an denen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel beteiligt war.
Experten in der Ukraine eingetroffen
Mit Hochdruck hat Brüssel daher die Experten-Gruppe zusammengestellt. Eine erste Delegation ist bereits in Kiew, ein zweites, größeres Team traf sich in Berlin und soll demnächst in die Ukraine und nach Russland reisen. "Das erste Team soll in Kiew ausloten, wie die Lage ist und wohin die Leute geschickt werden sollten, um ihren Job gut machen zu können", sagte Kommissionssprecher Ferran Tarradellas. "Parallel zu diesem ersten Team in Kiew haben wir den Rest des Teams, 22 Leute. Aufgrund der Informationen aus Kiew wird entschieden, wer wohin geht. Und wenn das entschieden ist, verteilen die sich auf verschiedene Orte."
Gaslieferungen erreichen EU nach drei Tagen
Die Fachleute sollen überprüfen, ob die Menge des Gases für die EU, die in der Ukraine ankommt, der Menge entspricht, die die Ukraine wieder verlässt. Moskau hat zugesagt, dann den Gashahn wieder zu öffnen, wenn die Beobachter vor Ort sind. Das könnte schon heute passieren, so vage Gasprom-Ankündigungen. Aus technischen Gründen wird es nach EU-Angaben aber noch mindestens drei Tage dauern, bis das Gas in den EU-Ländern ankommt.
Wenn überhaupt. Denn aus Moskau kommen nach wie vor Meldungen, dass Russland und die Ukraine weiter streiten. Gasprom wolle eine schriftliche Regelung. EU-Kommissionschef Barroso hält daran fest, dass Regierungschef Putin zu seinem Wort stehen müsse. "Russland wird Gas liefern. Die Ukraine wird den Transit nicht blockieren. So sollte es geschehen – nach dem Prinzip des guten Glaubens."