Vorfall in Gaza-Stadt "Nichts gesehen als Verletzte und Tote"
Viele Tote und Verletzte, Berichte über Schüsse: Noch ist unklar, was genau sich bei der Ankunft von Hilfslieferungen in Gaza abgespielt hat. Sicher ist: Es kam zu einer Tragödie.
Was genau sich in Gaza-Stadt abgespielt hat, ist noch nicht ganz klar - das musste auch Avi Hyman zugeben, ein israelischer Regierungssprecher. "Es ist ganz offensichtlich eine Tragödie, aber wir sind noch nicht sicher, was die Einzelheiten angeht", sagte er.
Sicher ist nur, dass viele Menschen getötet und verletzt wurden. Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen spricht inzwischen von mindestens 104 Toten und 760 Verletzten. Unabhängig überprüfen lassen sich die Zahlen nicht - doch es scheint klar, dass es die vielen Opfer bei der Verteilung von Hilfsgütern gab.
Gerade im Norden des Gazastreifens ist in den vergangenen Wochen wenig Nahrung, Trinkwasser und medizinisches Material angekommen. Dass am Donnerstag mehrere Lkw in das Gebiet fahren sollten, hatte sich herumgesprochen, sagt ein Mann aus Jabalia der Nachrichtenagentur Reuters:
Wir haben gestern die Information bekommen, dass sie Hilfe an den Nabulsi-Platz bringen. All die Leute in Nord-Gaza sind dorthin gegangen. Um fünf Minuten vor vier haben wir dann die israelischen Panzer gesehen, die haben plötzlich und direkt auf die Leute geschossen. Und dann haben wir nichts gesehen als Verletzte und Tote auf dem Boden. Das war unvorstellbar.
Berichte über Schüsse
Auch davon gibt es Augenzeugenberichte: Menschen auf der Suche nach Nahrung seien israelischen Panzern zu nahe gekommen - Soldaten hätten das Feuer eröffnet. Auf Videoaufnahmen sieht man Verletzte mit Beinschusswunden. Ob und wie viele Menschen dabei getötet wurden, ist unklar. Israelische Vertreter vermuten, dass Menschen auch im Gedränge verletzt und getötet wurden.
Außerdem hat das israelische Militär Luftaufnahmen veröffentlicht, die Regierungssprecher Hyman so erklärte:
Nach meinem Verständnis bis jetzt sind Fahrzeuge mit Hilfsgütern gekommen, die von Menschen gestürmt wurden, die etwas davon erbeuten wollten. Und dann, das sieht man deutlich auf den Videos, die das israelische Militär verbreitet hat, sind die palästinensischen Fahrer dieser überrannten Lkw in die Menschenmenge gefahren und haben zig Menschen getötet.
Zuletzt nur wenige Hilfsgüter angekommen
Der Vorfall macht vor allem deutlich, wie schlecht im Gazastreifen zur Zeit die Verteilung von Hilfsgütern gelingt - und dass die Menschen dort offenbar immer verzweifelter werden. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind 567.000 Menschen dort unmittelbar vom Hungertod bedroht. Vor allem im Norden des Gazastreifens waren zuletzt nur wenige Hilfsgüter angekommen.
Es gibt zahlreiche Aufnahmen von der chaotischen Verteilung und Berichte von bewaffneten Banden, die Hilfsgüter unter ihre Kontrolle zu bringen versuchen. Weil die Verteilung gefährlich ist, waren in den letzten Tagen immer wieder Nahrungsmittel aus der Luft abgeworfen worden. Doch auch das dürfte die Verteilungsprobleme nicht lösen.
Ein Augenzeuge aus Gaza Stadt beschreibt die Verzweiflung der Menschen:
Seit dem frühen Morgen kommen Leichen zum Al-Schifa-Krankenhaus, nachdem sie auf der Suche nach Essen waren. Sie sind zum Kreisverkehr auf der Suche nach Nahrung. Und jetzt siehst du, wie Menschen ankommen, die getötet oder verletzt wurden. Das heißt: Sie zahlen mit Ihrem Leben, um etwas zu essen zu bekommen.
Bis jetzt gibt es offenbar keinen Plan, wie die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen besser gesichert werden könnte. Derweil verschärft sich dort die humanitäre Krise.