US-Präsident Trump und Israels Staatspräsident Rivlin.
Interview

Trump in Israel Erst Ernüchterung, jetzt Skepsis

Stand: 22.05.2017 15:40 Uhr

Große Hoffnungen auf US-Präsident Trump sind in Israel großer Ernüchterung gewichen. ARD-Korrespondentin Susanne Glass spricht bei tagesschau24 sogar von Skepsis gegenüber Trump. Der habe viel versprochen, bislang aber keine konkreten Pläne vorgelegt.

tagesschau24: US-Präsident Donald Trump ist entgegen seinen Wahlkampfaussagen doch gegen den Siedlungsbau. Und das ist nicht die einzige Kehrtwende in Bezug auf Israel. Wie sind dort die Erwartungen an den Besuch? Ist da womöglich etwas Ernüchterung eingetreten?

Susanne Glass: Da ist eindeutig eine Ernüchterung eingetreten. Ich würde sogar sagen: Skepsis. Das gilt vor allem im Vergleich zur anfänglichen Euphorie. Man hatte sich von Trump, der sich immer als großer Freund Israels deklariert, erhofft, dass es eine Art Freifahrtschein für den Siedlungsbau gibt. Der ist nicht gekommen.

Es ist auch bis dato nicht zu bemerken, dass er sein großes Wahlkampfversprechen wahr machen könnte, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen. Er hat sich vor einigen Wochen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Washington getroffen. Sie standen vor der palästinensischen Flagge, der eines Staates, den es nach der Meinung vieler in Israel gar nicht geben sollte. Da ist jetzt doch eine große Skepsis zu verspüren.

Für Skepsis sorgt auch der Besuch in Saudi-Arabien, dort vor allem der Waffendeal, den Trump dort abgeschlossen hat. Da hieß es heute aus israelischen Regierungskreisen, es dürfe auf keinen Fall sein, dass dadurch Saudi-Arabien, ein Feind Israels, möglicherweise irgendwann besser ausgerüstet sei als Israel selbst.

In seiner Rede in Riad erwähnte er Israel nicht dezidiert als einen der Staaten, die den Terror bekämpfen. Und er forderte auch nicht von der arabischen Welt, Israel als Staat anzuerkennen. Da kommt doch einiges zusammen.

tagesschau24: Man hörte auch, es habe nun Ärger innerhalb der Regierung gegeben, weil nicht alle Kabinettsmitglieder zu Trumps Begrüßung an den Flughafen kommen wollten. Hat das mit den von Ihnen genannten Kritikpunkten zu tun?

Glass: Das hat sicherlich mit den Kritikpunkten zu tun. Sie wurden dann aber abkommandiert. Es war hier offensichtlich sowohl Premierminister Benjamin Netanyahu als auch Präsident Reuven Rivlin sehr wichtig, der Welt zu zeigen, dass die Freundschaft mit Amerika eine ganz besondere ist.

Aber es gab natürlich die genannten Kritikpunkte im Vorfeld, und es kommen auch noch andere hinzu. Dazu gehört, dass Trump die Jerusalemer Altstadt besucht. Er geht auch zur Klagemauer. Viele in Israel hatten sich erhofft, dass dieser Besuch schon ein Symbol ist, dass Jerusalem als Ganzes zu Israel gehört. Aber auch das wurde im Vorfeld wieder zerstört. Aus der US-Regierung hieß es, die Klagemauer gehöre eigentlich zum Westjordanland, und dieser Besuch an der Klagemauer sei privat.

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist noch der geplante Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Da stehen ganze 15 Minuten nur zur Verfügung. Hier hat ein bekannter Radiomoderator schon gesagt: "Bitte, Herr Trump, sagen Sie uns, dass es Fake News war. In 15 Minuten können Sie sich maximal ins Gästebuch eintragen."

Susanne Glass
Zur Person
Susanne Glass ist seit 1. Januar 2016 als Studioleiterin im ARD-Fernsehstudio Tel Aviv. Davor leitete sie bereits das ARD-TV-Büro in Wien. Dort war sie zuvor auch schon als Hörfunkkorrespondentin tätig. Glass ist promovierte Politologin und Volkswirtin.

tagesschau24: Das große Ziel von Trump ist, den Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. Bisher ist es Trumps Geheimnis, wie er das schaffen will. Wird es denn dazu heute Klarheit geben? Was passiert da womöglich im Hintergrund des Besuchs?

Glass: Es wird immer wieder darüber spekuliert, dass es relativ bald ein Treffen von Premierminister Netanyahu mit Palästinenserpräsident Abbas geben könnte. Abbas signalisierte dafür auch schon seine Bereitschaft. Aber auch da sind die Erwartungen zunehmend gedämpft. Man weiß aus jahrzehntelanger leidvoller Erfahrung, wie schwierig solche Verhandlungen sind. Man hat gesehen und weiß, wie unerfahren Trump diesbezüglich ist. Trotz großer Ankündigungen hat er bisher noch keinen konkreten Plan vorgelegt.

Das Interview führte Gerrit Derkowski für tagesschau24.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 22. Mai 2017 um 12:15 Uhr.