Griechischer Ministerpräsident will Referendum Das Volk soll über Sparauflagen abstimmen
Der griechische Ministerpräsident Papandreou hat angesichts der massiven Proteste im Land überraschend eine Volksabstimmung über die Beschlüsse des Euro-Gipfels angekündigt. Das Ergebnis solle "bindend" sein, sagte er. In Europa ist die Überraschung groß. Auch die Bundesregierung reagierte perplex.
Die Auflagen der EU sind hart, die Proteste im eigenen Land gegen den Sparkurs massiv, entsprechend hoch ist der Druck auf die Politik, vor allem auf Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Der will jetzt das Volk über die Beschlüsse des jüngsten EU-Gipfels entscheiden lassen. Die Ankündigung kam unerwartet: "Der Bürger wird aufgerufen sein, zu der neuen Schuldenvereinbarung laut 'Ja' oder 'Nein' zu sagen", sagte der Regierungschef vor sichtbar überraschten Abgeordneten seiner sozialistischen Partei.
Die Beschlüsse seien so schwerwiegend, dass sie eine breite Basis brauchten, die Ergebnisse der Abstimmung sollten bindend sein. Zugleich gab Papandreou bekannt, dass er bereit sei, sich einem Misstrauensvotum zu stellen. Nach Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos soll die Volksabstimmung wahrscheinlich Anfang kommenden Jahres abgehalten werden. Erst müssten die genauen Einzelheiten des Schuldenabbaus ausgehandelt werden.
Geld nur gegen Erfüllung harter Auflagen
Beim Euro-Krisengipfel in der vergangenen Woche in Brüssel hatten sich die Staats- und Regierungschefs für einen massiven Schuldenschnitt und weitere Hilfen für Griechenland entschieden. Die Beschlüsse sind jedoch an weitere harte Sparmaßnahmen geknüpft.
Nur eine Minderheit der Griechen befürwortet die Gipfel-Beschlüsse
Nach einer aktuellen Meinungsumfrage sieht die Mehrheit der Griechen die Gipfelbeschlüsse kritisch, nur 12,6 Prozent befürworten sie. Neben den massiven Protesten der Straße und dem Widerstand der Opposition sieht sich der Regierungschef aber auch wachsendem Unmut innerhalb seiner eigenen Partei gegenüber. Außerdem ist seine Regierungsmehrheit im Parlament auf drei Sitze geschrumpft und seine Umfragewerte sind nach etlichen Runden von Sparmaßnahmen im Keller.
"Natürlich können die Griechen 'Nein' sagen"
Finanzminister Venizelos sagte, die Entscheidung für ein Referendum sei gefallen, nachdem die Oppositionsparteien sich ein ums andere Mal geweigert hätten, sich bei den Verhandlungen mit den anderen Eurostaaten auf die Seite der Regierung zu stellen. "Es ist ganz klar: Die neue Einigung wird dem Parlament zur Genehmigung vorgelegt und dann dem Urteil des griechischen Volks unterworfen. Natürlich können die Griechen 'Nein' sagen. Sie müssen dabei aber die Konsequenzen dieser Entscheidung vor Augen haben", sagte Venizelos dem privaten Fernsehsender Antenna.
"Der Ministerpräsident versucht, Zeit zu kaufen"
Die griechischen Oppositionsparteien warfen der Regierung vor, mit der Volksabstimmung nur ihre Macht retten zu wollen. "Der Ministerpräsident versucht, Zeit zu kaufen", sagte Costas Gioulekas von der konservativen Partei Neue Demokratie. Laut der griechischen Verfassung muss das Parlament einer Volksabstimmung zustimmen, bevor sie vom Präsidenten ausgerufen wird. Ob seine Partei dem Referendum zustimmen werde, sagte Gioulekas nicht.
Mehrere Abgeordnete bezweifeln auch, dass das Vorhaben Papandreous überhaupt zulässig ist. Der Verfassung zufolge sind Referenden zu wirtschaftlichen Themen nicht gestattet, sondern nur bei Fragen von größter nationaler Bedeutung. Das letzte Referendum in Griechenland gab es im Dezember 1974:. Nach dem Zusammenbruch der Militärdiktatur stimmten die Bürger damals für die Abschaffung der Monarchie.
Bundesregierung von Plänen überrascht
Die Bundesregierung wurde von Papandreous Plan offenbar überrascht. Es handle sich dabei um eine "innenpolitische Entwicklung in Griechenland, über die der Bundesregierung bisher noch keine offiziellen Informationen vorliegen und die sie deswegen auch nicht kommentiert", teilte das Bundesfinanzministerium mit. Weiter hieß es, der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone habe in der vergangenen Woche "klare Erwartungen" formuliert. "Demnach soll das zweite Hilfspaket für Griechenland bis Ende diesen Jahres stehen. Daran arbeiten wir alle zur Zeit mit hoher Intensität."
Auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle zeigte sich von Papandreous Entscheidung "irritiert" und nannte sie "merkwürdig". Die Bundesregierung forderte er auf, sich für einen Staatsbankrott Griechenlands zu wappnen und die nötigen Schutzvorkehrungen zu treffen. Dann müsse es darum gehen, die Ansteckungsgefahren einer griechischen Pleite zu bannen.