Großbritannien-Korrespondentin Pieper Alles andere als heimatlos
Nicht mal auf deutsches Vollkornbrot muss Stephanie Pieper in Großbritannien verzichten. Sie ist also auf der Insel alles andere als heimatlos. Beim Fußball allerdings geht sie keine Kompromisse ein: einmal Werder, immer Werder.
Was heißt Heimat eigentlich auf Englisch? Grübel, grübel. Na, das geht ja gut los. Schnell das Online-Wörterbuch Leo konsultiert - das bietet "home" und "homeland" zur Auswahl an. Aber "home" meint auch das Haus und das Zuhause, und "homeland" wiederum das Heimatland. Hmmmmm.
Womöglich ist die Heimat - diese nach Romantik, nach Sehnsucht klingende Idee - doch eine deutsche, keine englische Erfindung. Nach ihrer Heimat gefragt, antworten die Briten übrigens meist: Sie kämen aus England, aus Schottland oder aus Wales - oder nennen gleich die Grafschaft, aus der sie stammen.
Überall und nirgends zu Hause
Aber wo ist nun meine Heimat? Gute Frage, gar nicht leicht zu beantworten. Geboren in Nordhorn in Niedersachsen, aufgewachsen in Bremen, Studium in Berlin, Nordirland, USA, dann der Job in Berlin. Und jetzt London. Ich bin überall zu Hause, und nirgends. Freiwillig eine Nomadin, schöner geht's nicht.
Mein Heimatverein bleibt aber natürlich Werder Bremen, in guten wie in schlechten Zeiten. Und da das Stadion von Arsenal nur zehn Minuten zu Fuß von meiner Londoner Wohnung liegt, freut es mich besonders, dass dort gleich zwei Ex-Bremer - Per Mertesacker und Mesut Özil - spielen. Fühle mich sofort an die alte Heimat erinnert, wenn am Wochenende sowohl Werder als auch Arsenal verlieren.
"To queue" manchmal zu anstrengend
Bedauerlicherweise hat die berühmte britische Höflichkeit noch zu wenig auf mich abgefärbt: Es passiert mir hier immer noch, dass ich in der langen Schlange an der Supermarktkasse ungeduldig vor mich hin grummele - oder dass ich schwerst genervt bin von der völlig überfüllten U-Bahn. Total unentspannt, typisch deutsch. Während die gelassenen Briten vor und neben mir geradezu tiefenentspannt erscheinen. Wie machen die das bloß?
Zugleich ertappe ich mich beim Blick auf meine undichten Altbaufenster dabei, sehnsuchtsvoll an das gute deutsche Handwerk zu denken. Bloß nicht erwähnen, wenn ein Brite dabei ist. Wäre ja unhöflich.
Vollkornbrot-Versorgung garantiert
Und was vermisse ich an Deutschland, meiner Heimat? Erstaunlicherweise: fast nichts. Bis auf meinen Freund selbstverständlich. Und vernünftige Taschentücher. Und den Euro. Die Vollkornbrot-Versorgung dagegen ist auch hier sichergestellt, weil eine deutsche Bäckerei-Kette direkt gegenüber vom ARD-Studio eine Filiale eröffnet hat. Das kann doch wohl kein Zufall sein.
Heimatlos fühle ich mich also nicht; Heimat ist für mich weniger ein Ort, sondern mehr ein Gefühl. Und jetzt fühle ich mich wohl - in London.