China-Korrespondent Schmidt Nicht nur eine Heimat
In China wäre Deutschland - was die Bevölkerungsanzahl angeht - gerade einmal die viertgrößte Provinz. Aus der Ferne erscheint Deutschland unbedeutender, findet Mario Schmidt. Umso wichtiger ist ihm Europa als starke Gemeinschaft - und als Heimat.
Ich fühle mich da zu Hause, wo ich viel Zeit verbracht und mich wohlgefühlt habe. Insofern setzt sich Heimat für mich aus vielen Orten zusammen. Im Ausland nehmen die Heimatgefühle für Deutschland ab. Das liegt schlicht daran, dass ich Wurzeln schlage, mein Alltag ist an andere Orte und Menschen gebunden, auch wenn ich alles in Deutschland genau verfolge, nicht nur die Spiele von Arminia Bielefeld und dem HSV.
Bin ich eines Tages wieder länger in Deutschland, werden die Wurzeln dort automatisch wieder stärker. Dass ich aus Deutschland komme, hat mir als Auslandskorrespondent in Asien immer geholfen, nie geschadet. Egal wo, mit uns verbindet man Verlässlichkeit, Gründlichkeit, Freundlichkeit. Und jeder weiß was über uns: die starke Wirtschaft, die Einheit, Angela Merkel, wir können Fußball spielen, setzen auf Öko, bauen Autos, trinken Bier.
Tolerantes Deutschland
Deutschland ist eine angenehme Heimat. Wir sind eine tolerante Gesellschaft, haben ein funktionierendes Rechtssystem, wir können uns verändern, sind in Vielem modern und verstehen es, gut zu leben - bei aller Nörgelei, die auch zu Deutschland gehört. In China wären wir mit der Bevölkerung aber gerade einmal die viertgrößte Provinz. Ohne starke Wirtschaft und Innovationsvorsprung wären wir für China ein Land wie viele andere. Aus der Ferne scheint Deutschland daher unbedeutender.
Auch deshalb ist mir Europa wichtig: Weil wir in der Welt langfristig nur noch als Teil einer starken Gemeinschaft gehört werden. Und bei allen Problemen hat Europa viel vorzuweisen. Die Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg etwa hat Asien noch nicht hinbekommen. Heimat - für mich ist das daher auch Europa.