Türkei-Korrespondent Schramm Raus aus der Burg
Dass sich Heimat wandeln kann, hat Michael Schramm in Istanbul erlebt. Immer mehr zog die türkische Metropole ihn an - und veränderte sein Deutschland-Bild und sein subjektives Heimatempfinden.
Vor fünfeinhalb Jahren fuhr mein Möbelwagen in Istanbul vor. Ich selbst war einige Tage zuvor hier angekommen. Beim Ausladen sah ich viele mir vertraute Gegenstände, allerdings vor mir exotisch erscheinendem Hintergrund. Istanbul war mir fremd, geradezu unheimlich. Es dauerte Wochen, bis ich meine Wohnung nicht nur als Burg ansah. Dann zog es mich immer mehr in diese besondere, sicher oft auch verrückte Stadt.
Die ersten Jahre suchte ich Menschen aus Deutschland und Orte, die in Beziehung zu Deutschland stehen. Unbeabsichtigt verglich ich fortwährend. Dann änderte sich auch diese Haltung.
Das höfliche, verwöhnte Land
Nach nunmehr fünf Jahren am Bosporus sehe ich meine Heimat Deutschland anders, denn auch hier habe ich ein wenig Heimat gefunden. Deutschland ist für mich nun das geordnete, das sichere, das höfliche und, ehrlich gesagt, oft auch sehr verwöhnte Land.
Die Türkei sehe ich als die lebendige, junge, herzliche und, offen ausgesprochen, manchmal auch rücksichtslose Welt. Es ist gut, dass es beides gibt! Heimat ist, so glaube ich, in uns. Wir nehmen sie mit, wohin auch immer wir gehen. Aber: Sie kann sich ändern. Heimat ist subjektiv, für jeden von uns ist sie einzig und anders. Meine persönliche Heimat ist in Bewegung geraten.