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Interview

Wahl in den Niederlanden "Wilders wurde zu groß gemacht"

Stand: 16.03.2017 16:15 Uhr

Geert Wilders wurde vor den Wahlen in den Niederlanden überschätzt. Im Interview mit tagesschau24 erklärt Friso Wielenga, Leiter des Zentrums für Niederlande-Studien an der Uni Münster, warum - und was deutsche Politiker daraus lernen können.

tagesschau24: Bei den Wahlen in den Niederlanden hat der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte einen deutlichen Vorsprung erzielt, obwohl viele mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders gerechnet hatten. Wie erklären Sie sich diesen Vorsprung?

Friso Wielenga: Rutte hat zwar die Wahl gewonnen und mehr Sitze bekommen, als ihm vorhergesagt wurden, aber er hat auch fünf Prozent verloren. Dass er deutlich stärker als sein Widersacher geworden ist, liegt auch daran, dass er nach der Krise mit der Türkei gezeigt hat: "Ich bin ein verantwortungsvoller Politiker. Und Sie, Herr Wilders, sitzen nur auf dem Sofa und twittern! Sie eskalieren die Sache mit der Türkei! Ich lasse mich nicht in die Enge treiben, aber ich bin zur Deeskalation bereit."

Zur Person
Der Historiker Friso Wielenga ist seit 1999 Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

"Wilders war vom Wahlkampf weit weg"

tagesschau24: Hat diese Botschaft die Niederländer erreicht - sind sie quasi zur Vernunft gekommen?

Wielenga: Wilders ist besonders von ausländischen Medien ein bisschen zu groß gemacht worden. Das gestrige Ergebnis hat sich in den Prognosen der vergangenen Wochen abgezeichnet. So unvernünftig waren die Niederländer daher vielleicht gar nicht. Interessant ist die Vielfalt der Parteien, die wir jetzt im Parlament sehen. Auch Linksliberale, Christdemokraten und Grüne haben dazugewonnen. Es war ein sehr lebendiger Wahlkampf, inhaltlich positiv, von dem Wilders weit weg war. Die anderen Parteien konnten in Ruhe argumentieren, und das haben die Wähler mit einer relativ hohen Wahlbeteiligung honoriert.

tagesschau24: Bei so vielen Parteien ist die Regierungsbildung schwierig. Was passiert jetzt?

Wielenga: 13 Parteien im niederländischen Parlament sind nichts Neues. Aber es gibt keine großen Parteien mehr. Rutte und seine VVD sind mit 21 Prozent die stärkste Kraft geworden. Danach kommen vor allem mittelgroße Parteien, die zwischen 9 und 13 Prozent liegen. Arbeitet Rutte jedoch mit Linksliberalen und Christdemokraten zusammen, hat er schon fast eine Mehrheit. Er braucht nur noch eine vierte Partei - wahrscheinlich werden das die Grünen, die gut zugelegt haben. Die Regierungsbildung kann noch mehrere Monate dauern. Das hat aber Tradition in den Niederlanden.

"Ein beruhigendes Signal"

tagesschau24: Was bedeutet das Wahlergebnis in den Niederlanden für die EU?

Wielenga: Es ein positives Zeichen, weil Wilders nicht so zugelegt hat, wie viele vermutet haben. Sonst hätte man sagen können: "Nach Trump und dem Brexit strömt die Populismus-Welle über die Niederlande auch nach Europa herein". Die Niederlande haben aber keinen Deich gegen den Populismus gebaut. Denn die Wahlen in Frankreich werden dort entschieden und die AfD wird in Deutschland gewählt. Ich glaube nicht, dass sich die Anhänger von Le Pen und der AfD davon beeinflussen lassen, ob Wilders drei oder vier Prozent mehr bekommt. Es ist ein beruhigendes Signal, und deswegen ist die Freude in vielen europäischen Hauptstädten verständlich. Aber die Wahlen in Frankreich und Deutschland sind wichtiger.

tagesschau24: Was können wir in Deutschland vom Ausgang dieser Wahl lernen?

Wielenga: Es ist wichtig, selber die Themen zu setzen. Es war ein sachlicher Wahlkampf in den Niederlanden. Alle Parteien haben ihre eigenen Ziele gesetzt und gut miteinander diskutiert - das wollen die Wähler hören. Und sie haben sich nicht so sehr von Wilders lenken lassen. Man darf den Populismus nicht unter-, aber auch nicht überschätzen.

Das Interview führte Jan Malte Andresen, tagesschau24.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 16. März 2017 um 13:00 Uhr.