USA-Experte zu Russland-Affäre "Es zeigt, dass Mueller beißt"
Die Anklagen gegen drei Trump-Berater erhöhen die Brisanz in der Russland-Affäre: Sonderermittler Mueller sei "hart in der Sache" und sehr schnell, meint USA-Experte Jäger im Interview mit tagesschau.de. Und auch für Trump könnte es gefährlich werden.
tagesschau.de: Gegen Trumps früheren Wahlkampfmanager Paul Manafort und zwei weitere Trump-Berater wurde Anklage erhoben. Was bedeutet dieser Schritt?
Thomas Jäger: Es zeigt zum einen, dass der Sonderermittler Robert Mueller das Mandat, das er bekommen hat, sehr weit auslegt. Denn die Anklagen lauten ja unter anderem auf Geldwäsche und Steuerhinterziehung, haben also nicht direkt mit der Frage der Wahlkampfbeeinflussung zu tun.
Zum anderen zeigt es, dass Mueller wirklich beißt: Er ist hart in der Sache und setzt sein Mandat ohne Rücksicht auf irgendwelche Personen um. Und zwar sehr schnell: Er hat erst im Mai begonnen und eigentlich rechnete man damit, dass es zwei Jahre oder länger dauern könnte, bis er zu Ergebnissen kommt.
tagesschau.de: Beobachter vermuten ein taktisches Manöver hinter diesen Anklagen, die ja gar nicht den Kern der eigentlichen Ermittlungen betreffen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Jäger: Das ist eine mögliche Interpretation. Im Trump-Lager ist die große Befürchtung, dass man sich mit Manafort das schwächste Glied in der Kette gesucht hat. Er war ja direkt ins Visier der Ermittler geraten, weil man wusste, dass er in der Ukraine Viktor Janukowitsch beraten und damit eine Menge Geld verdient hat. Er hatte aus seinen vorherigen Geschäftsbeziehungen bereits Nähe zu Personen aus Russland. Die Befürchtung im Trump-Lager ist nun, dass Mueller ihm anbieten könnte, als Kronzeuge zu agieren. Das heißt, er könnte für seine Aussage eine milde oder gar keine Strafe bekommen. Manafort ist nicht mehr der Jüngste, womöglich würde er sich auf einen solchen Deal einlassen.
Die andere Interpretation wäre einfach: Im Zuge der Ermittlungen sind Hinweise auf diese Straftaten aufgetaucht und dem geht man jetzt eben nach, ohne die Absicht, daraus Kapital zu schlagen. Beides ist möglich, wir müssen das abwarten.
"Bedingungen für Mueller verbessern sich"
tagesschau.de: Spitzt sich die Lage für Donald Trump jetzt zu?
Jäger: Mit Manafort und Rick Gates sind zwar Leute in seinem engen Umfeld betroffen, aber er hat ja bereits wieder Distanz zu ihnen hergestellt. Manafort war nur ein paar Monate Wahlkampfmanager. Eine ganz andere Brisanz hätte die Sache, wenn es Jared Kushner und Donald Trump Jr. beträfe. Beide waren ja zumindest in einem Gespräch mit einer russischen Anwältin zugegen, die als Kreml-nah bezeichnet wird. Was auch immer das genau bedeutet. Wenn es so weit kommt, gerät Trump in große Bedrängnis, selbst wenn er persönlich noch nicht im Visier wäre. Sollten ihm Kontakte nachgewiesen werden, würde er das politisch nicht überleben.
Manafort (rechts) und Gates (Mitte) mit Donald und Ivanka Trump im Wahlkampf 2016
tagesschau.de: Das heißt, diese Anklagen sind noch kein Hinweis darauf, dass an dem Verdacht einer Verschwörung mit Russland tatsächlich etwas dran ist?
Jäger: Nein. Diese Anklagen sind lediglich ein Hinweis darauf, dass es für Trump eng werden könnte. Denn die Bedingungen für Mueller verbessern sich deutlich, wenn Manafort auspackt. Das wiederum kann er nur, wenn es auch etwas zu erzählen gibt. Und das wissen wir einfach noch nicht.
"Trump versucht Demokraten mit hineinzuziehen"
tagesschau.de: Wie ist Trumps Reaktion einzuordnen, all diese "russischen Geschichten" kämen genau dann, wenn die Republikaner eine historische Senkung und Reform der Steuern in Angriff nähmen?
Jäger: Trump bespielt ja immer zwei Bühnen gleichzeitig. Zum einen die Bühne der realen Politik, zum anderen die der Öffentlichkeit. Denn er kann sich in der jetzigen Situation überhaupt nicht erlauben, dass ihm seine Wähler davonlaufen. Denn dann würde in der republikanischen Partei möglicherweise der Ruf laut, 'den müssen wir loswerden'.
Es ist für ihn eine Art politische Lebensversicherung, auf die Demokraten einzuschlagen. Er versucht, sie mit hineinzuziehen. Er macht das ja beispielsweise auch, indem er den Verkauf dieses Uran-Unternehmens aus der Obama-Zeit wieder aufnimmt und versucht, auf Russland-Kontakte der Demokraten hinzuweisen. Es ist also ein Ablenkungsmanöver, aber es geht auch darüber hinaus. Es geht darum, seine Wähler zusammen und das Feindbild stabil zu halten. Denn es wird den ein oder anderen schon durcheinander bringen, wenn es heißt: Euer Präsident hat offenbar mit den Russen kooperiert.
tagesschau.de: Wie ist Ihre Prognose, wie es jetzt weitergeht?
Jäger: Das ist sehr schwer. Man kann nicht sagen, dass man einer möglichen Amtsenthebung Trumps jetzt bereits näher gekommen ist. Was aber nach dieser Anklageerhebung sicher nicht mehr möglich ist, ist, dass Mueller abgesetzt wird. Dieses Recht hätte Trump eigentlich. Aber durch diese schnelle Aktion hat sich Mueller politisch in eine starke Position gebracht. Und er wird weiter jeden Stein umdrehen.
Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de.