Geflüchtete Frauen aus dem Sudan.

Rangliste der Krisenstaaten Sudan vor humanitärem Zusammenbruch

Stand: 11.12.2024 11:36 Uhr

Im Sudan herrscht nach wie vor die weltweit größte humanitäre Krise. Auf der Beobachtungsliste der Hilfsorganisation ICR bleibt das Land an oberster Stelle. Seit Wochenbeginn soll es bei Kämpfen zahlreiche weitere Tote gegeben haben.

Seit mehr als anderthalb Jahren tobt ein Bürgerkrieg im Sudan, der nach Einschätzung der Hilfsorganisation International Rescue Comittee (ICR) die derzeit größte humanitäre Krise sowie die größte Vertreibungskrise weltweit ausgelöst hat. Doch die humanitäre Notlage in dem afrikanischen Land drohe im kommenden Jahr nochmals drastischere Ausmaße anzunehmen.

Auf der Beobachtungsliste von Krisenstaaten der Organisation - der sogenannten Emergency Watchlist - steht der Sudan, wie bereits im vergangenen Jahr, an erster Stelle. Der Sudan mit seinen etwa 48,1 Millionen Einwohnern steuere auf einen verheerenden humanitären Zusammenbruch in 2025 zu, heißt es im Bericht des ICR.

Mitte April 2023 war der Machtkampf zwischen dem sudanesischen Militär unter Führung von General Abdel Fattah Burhan und der paramilitärischen Truppe RSF (Rapid Support Forces) eskaliert. Laut ICR wurden durch die seitdem anhaltenden Kämpfe bislang etwa 14,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des Sudan in die Flucht getrieben, wobei mehr als elf Millionen der Betroffenen als Vertriebene im eigenen Land zählten. Lediglich etwa drei Millionen Sudanesen seien in benachbarte Staaten geflohen. Mittlerweile seien mehr als 30 Millionen Menschen in dem Land auf humanitäre Hilfe angewiesen. 25,6 Millionen Menschen im Sudan litten unter unzureichender Versorgung mit Nahrung.

Zahlreiche Todesopfer binnen zwei Tagen

Allein in den vergangenen beiden Tagen sollen bei Angriffen sowohl vonseiten des Militärs als auch von der RSF im Sudan zahlreiche Menschen getötet und Hunderte verletzt worden sein. Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete unter Berufung auf sudanesische Behörden von mindestens 87 Menschen, die bei schweren Angriffen auf die Stadt Omdurman getötet worden seien. Die Regierung des Bundesstaates Khartum teilte mit, Truppen der RSF hätten eine Reihe von Wohnvierteln und Märkten unter Beschuss genommen. Dort hätten sich viele Zivilistinnen und Zivilisten aufgehalten. Beim Beschuss des Wohnviertels Karari starben demnach mindestens 65 Menschen, mehrere Hundert seien verletzt worden. Auch habe eine Granate einen Bus getroffen - alle 22 Insassen seien ums Leben gekommen.

Auch die Nachrichtenagenturen AFP und Reuters berichteten übereinstimmend von den Angriffen auf Omduran. Reuters zufolge soll es zudem weitere Luftangriffe der sudanesischen Armee auf von den RSF kontrollierte Gebiete gegeben haben. Laut Reuters soll es am Montag und Dienstag mindestens 127 Tote durch die Kämpfe im Sudan gegeben haben. Die Agentur AFP nannte sogar die Zahl von mindestens 176 Todesopfern. Sie berief sich dabei auf Angaben von sudanesischen Beamten, Aktivisten und Anwälten. Demnach soll es am Dienstag auch in der Hauptstadt Khartum neue Gefechte gegeben haben, durch welche mehr als 60 Menschen getötet worden seien.

ICR warnt vor Hungersnot im Gazastreifen

Insgesamt führt das ICR auf seiner jährlich veröffentlichten Beobachtungsliste 20 Staaten auf. Auf den Sudan als größter Krisenherd folgen in der Auflistung die besetzten palästinensischen Gebiete, Myanmar sowie Syrien und Südsudan. Auch nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Assad bleibe die Lage in Syrien unsicher. Etwa 90 Prozent der Bevölkerung des Landes lebten in Armut und aktuell seien fast 70 Prozent der Menschen in Syrien auf humanitäre Unterstützung angewiesen.

Der Gazastreifen und die besetzten palästinensischen Gebiete im Westjordanland hatte das ICR schon im vergangenen Jahr als zweitgrößten Krisenherd weltweit eingestuft. Seit mehr als einem Jahr führe der Krieg zwischen Israel und der Terrormiliz Hamas zur Verwüstung des Gazastreifens und einer verschlechterten Lage im Westjordanland. Zudem bleibe die Gefahr einer Hungersnot bestehen.

Mehr als 300 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen

"Die Welt steht in Flammen - und für Hunderte Millionen von Menschen ist dies tägliche Realität", warnte IRC-Präsident David Miliband. Aus strategischer Sicht sei zu bedenken, dass Probleme zwar im Sudan oder in Syrien beginnen, aber dort nicht blieben, denn "Instabilität breitet sich aus".

Laut der Hilfsorganisation sind derzeit weltweit etwa 305 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Etwa 82 Prozent der Betroffenen lebten in auf der Beobachtungsliste aufgeführten Ländern, obwohl sie nur elf Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. 77 Prozent der Vertriebenen weltweit seien durch die Krisen in den Staaten der Watchlist zur Flucht gezwungen und mehr als 30 Prozent der in extremer Armut lebenden Menschen lebten in den 20 aufgelisteten Ländern.

Gründe für die Verschlimmerung humanitärer Krisen sind dem Bericht zufolge unter anderem die steigende Zahl von Konflikten weltweit, in denen Angriffe auf die Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur zunehmen. Auch eine geringere Unterstützung für Menschen, die unter den Folgen der immer stärkeren Auswirkungen des Klimawandels leiden, verschärfe Krisen. Zudem steige die Armut in den Ländern auf der Liste, während sie im Rest der Welt gesunken sei.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. Dezember 2024 um 11:57 Uhr.