Israel untersagt Betrieb Scharfe Kritik an Al-Jazeera-Schließung
Auf die Entscheidung der israelischen Regierung, den katarischen Sender Al Jazeera zu schließen, folgt heftige internationale Kritik. Der Schritt sei ein "Angriff auf die Pressefreiheit". Der Sender will sich wehren.
Wegen seiner Berichterstattung über den Nahost-Krieg hat die israelische Regierung den katarischen Sender Al Jazeera in Ost-Jerusalem schließen lassen. Die Entscheidung ruft international Empörung hervor - auch aus den Reihen des Kriegskabinetts von Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu kommen kritische Töne.
Die Vereinten Nationen verwiesen angesichts der Schließung des Senders auf die Bedeutung der Pressefreiheit. "Die freie Presse leistet einen Dienst von unschätzbarem Wert, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit informiert und engagiert ist", betonte ein Sprecher der UN in New York. Die Vereinten Nationen stünden "fest gegen jede Entscheidung, die Pressefreiheit zurückzufahren".
Der Verband der Auslandspresse in Israel sprach von einem "dunklen Tag für die Medien". Mit diesem Schritt reihe sich Israel ein in "den zweifelhaften Club der autoritären Regierungen ein, die den Sender verbieten". Auch das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten warnte vor einem "äußerst alarmierenden Präzedenzfall für die Einschränkung der Arbeit internationaler Medien in Israel". Die Regierung unter Netanyahu müsse dem Sender und auch allen anderen internationalen Medien erlauben, sich frei in Israel zu betätigen. Dies gelte vor allem in Kriegszeiten.
Ähnlich äußerte sich auch der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands, Mika Beuster. "Die Pressefreiheit ist kein Schönwettergrundrecht, sondern muss auch in Kriegszeiten in vollem Umfang gelten", mahnte er. Die israelische Demokratie dürfe kritische Stimmen nicht an der Berichterstattung hindern. Beuster forderte Israel auf, die Schließung des Senders zurückzunehmen. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock müsse sich dafür einsetzen, dass Al Jazeera den Betrieb wieder aufnehmen könne.
Kritik an "freiheitsbedrohender Gesetzgebung" Israels
Beim Kurznachrichtendienst X, ehemals Twitter, äußerte sich auch die Organisation Reporter ohne Grenzen. Die in Frankreich gegründete Organisation verurteile "aufs Schärfste eine freiheitsbedrohende Gesetzgebung, die ein TV-Netzwerk wegen seiner Berichterstattung über den Krieg im Gazastreifen zensiert".
Omar Shakir, Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch für Israel und die palästinensischen Gebiete, prangerte ebenfalls einen "Angriff auf die Pressefreiheit" an und verband seine Reaktion auf die Senderschließung mit direkter Kritik an der militärischen Offensive Israels im Gazastreifen. "Anstatt zu versuchen, die Berichterstattung über ihre Gräueltaten in Gaza zum Schweigen zu bringen, sollte die israelische Regierung aufhören, sie zu begehen", so Shakir.
Schließung des Sender schon seit Längerem angedroht
Al Jazeera ist der israelischen Regierung schon länger ein Dorn im Auge. Ministerpräsident Netanyahu hatte bereits vor rund einem Monat damit gedroht, den Betrieb des Senders zu verbieten. Zuvor hatte das Parlament das sogenannte Al-Jazeera-Gesetz gebilligt. Dieses ermöglicht eine Schließung ausländischer TV-Sender, wenn diese als Risiko für die Staatssicherheit eingestuft werden.
Schon damals hatte die Bundesregierung vor einem möglichen Vorgehen der israelischen Regierung gegen Medien gewarnt. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes betonte: " Eine freie und vielfältige Presselandschaft ist Grundpfeiler einer liberalen Demokratie."
Auch die US-Regierung hatte sich nach der Verabschiedung des Al-Jazeera-Gesetzes beunruhigt geäußert. Die USA unterstützten "die freie Presse überall auf der Welt", hatte das Außenministerium in Washington mitgeteilt.
Gantz prangert "schreckliches Timing" an
Mit Beginn des Nahost-Kriegs rückte Al Jazeera verschärft in den Fokus der Regierung. Der Sender hatte ausführlich über die katastrophale Lage im Gazastreifen berichtet und Bilder von Tod und Zerstörung gezeigt, die in israelischen TV-Sendern kaum zu sehen sind. Der Sender strahlte aber auch regelmäßig Videos des militärischen Arms der Terrormiliz Hamas von Angriffen auf israelische Soldaten aus.
Netanyahu warf dem Sender am Sonntag vor, als "Sprachrohr der Hamas" zu dienen. Al Jazeera habe "die Sicherheit Israels beschädigt" und gegen das israelische Militär gehetzt. Kurz nach der Bekanntgabe der Schließung durchsuchten Mitarbeiter des Kommunikationsministeriums die Räumlichkeiten des Senders und beschlagnahmten Ausrüstungen und Geräte. Kabel- und Satellitenanbieter nahmen den Sender aus dem Netz, seine Webseiten im Internet wurden blockiert.
Benny Gantz, Minister im Netanyahus nach dem Überfall der Hamas gebildeten Kriegskabinett, zeigte sich mit der Schließung des Senders zwar einverstanden. Allerdings kritisierte der Oppositionspolitiker ein "schreckliches Timing". Der Zeitpunkt der Entscheidung drohe die Verhandlungen mit der Hamas über eine weitere Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln "zu torpedieren".
Sender will sich gegen Schließung wehren
Al Jazeera hatte noch am Sonntag angekündigt, "mit allen Mitteln" gegen die Schließung vorgehen zu wollen. Die Vorwürfe Netanyahus wies der Sender entschieden zurück und kritisierte sie als "gefährliche, lächerliche Lügen" sowie als "hetzerische Verleumdungen gegen das Netzwerk".
Al Jazeera wurde 1996 gegründet und hat seinen Hauptsitz in Doha. Er galt als einer der ersten arabischen TV-Sender, der auch kritische Berichte über die Region veröffentlichte und gewann daher schnell an Popularität in der arabischen Welt. Katar selbst galt vor Ausbruch des Gaza-Kriegs als einer der wichtigsten finanziellen Unterstützer der Terrororganisation. In Doha leben auch Spitzenvertreter der Hamas.