Reaktionen auf Italien-Wahl "Europa muss mehr sein als Sparen"
Die Sorge über ein politisches Chaos in Italien teilen die europäischen Partner, die Art, damit umzugehen, nicht in jedem Fall. Während Deutschland auf eine schnelle Regierungsbildung und die Fortsetzung der Reformen pocht, plädieren Frankreich und EU dafür, neben Sparen auch auf Wachstum zu setzen.
Nach der Wahl in Italien ist völlig unklar, wer das überschuldete südeuropäische Land künftig steuern wird. Das reformorientierte Mitte-Links-Lager errang zwar eine knappe Mehrheit im Abgeordnetenhaus, aber im gleichberechtigten Senat herrscht ein Patt mit dem rechten Lager unter dem früheren Regierungschef Silvio Berlusconi.
Die Blockade beider Lager beunruhigt die EU-Staaten. Die Angst vor einer möglichen Unregierbarkeit des Landes sowie die daraus resultierenden Probleme für Europa sind allen Äußerungen zu entnehmen; zugleich aber auch die Hoffnung und die Forderung an Italiens Wahlsieger, eine stabile Regierung zu bilden.
Diese Forderung äußerte beispielsweise EU-Ratspräsident Herman Van Rompoy. "Jetzt liegt es an den führenden Politikern, die notwendigen Kompromisse zu schließen, um eine stabile Regierung zu bilden." Der eingeschlagene Kurs der finanziellen Konsolidierung und der Reformen müsse fortgesetzt werden. Dazu gebe es keine Alternative. Van Rompoy zeigte sich überzeugt, dass Italien weiterhin ein stabiler Partner der Eurozone bleiben wird.
Deutschland erwartet Fortsetzung des Reformkurses
Auch die Bundesregierung rief die Parteien in Italien auf, den Reformprozess fortzusetzen und damit ihren Beitrag zur Überwindung der Schuldenkrise zu leisten. "Entscheidend ist jetzt für Italien, aber auch für ganz Europa, dass möglichst rasch eine stabile und handlungsfähige Regierung gebildet werden kann", sagte Außenminister Guido Westerwelle. Deutschland setze darauf, dass die Politik der Konsolidierung und der Reformen von einer neuen Regierung konsequent fortgesetzt wird.
Vizekanzler Philipp Rösler sagte: "Ich hätte mir ein besseres Abschneiden der Reformkräfte in Italien vorstellen können. Zum bisher eingeschlagenen Kurs struktureller Reformen gibt es allerdings keine Alternative." Dem in der Krise steckenden Land empfahl er, seinen Haushalt zu sanieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Ein "Sprung nach nirgendwo"
Der spanische Außenminister José Manuel García-Margallo teilt die Sorge: "Was in Italien geschehen ist, dürfte für niemanden positive Konsequenzen haben, weder für Italien selbst noch für das übrige Europa." Das Ergebnis der Wahlen bedeute einen "Sprung nach nirgendwo".
Mehr Wachstum ...
Frankreichs Finanzminister Pierre Moscovici interpretiert den Ausgang der italienischen Parlamentswahl als Aufruf zu einer stärker auf Wachstum ausgerichteten Politik. Europa müsse den Menschen eine andere Perspektive als reines Sparen bieten. Dies sei Wachstum, sagte er. Das Patt in Italien sei "ohne Zweifel besorgniserregend". Er hoffe, dass Pier Luigi Bersani die Mehrheit seines Mitte-Links-Bündnisses im Abgeordnetenhaus nutzen könne, um eine stabile und reformorientierte Regierung zu bilden.
... und nicht nur Sparen
Auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, sieht in dem Wahlausgang in Italien einen Appell an die Europäische Union, sich von einer "einseitigen Kürzungspolitik" zu verabschieden. Im Deutschlandfunk sagte der SPD-Politiker: "Wir brauchen eine Kombination aus nachhaltiger Haushaltsdisziplin und Investitionspolitik, die Arbeit schafft, gleichzeitig." Eine reine Kürzungspolitik sei "einfach nicht richtig".
Österreich: Bitte keine Debatte über Zukunft des Euro!
Aus Österreich kam die Warnung vor einer neuen Debatte über die Zukunft des Euro. "Der Euro ist auch dann stabil, wenn in einzelnen Ländern noch nicht geklärt ist, wie die Regierung gebildet wird", sagte Österreichs Kanzler Werner Faymann.
Nach Einschätzung des ARD-Korrespondenten Rolf-Dieter Krause sorgt sich Brüssel aber sehr, was die Zukunft der gemeinsamen Währung betrifft. Im Extremfall könnte die Lage in Italien das Aus für den Euro bedeuten, sagte Krause im ARD-Morgenmagazin.
Auch Experten warnen. "Mittelfristig wird das Überleben des Euro bedroht", sagt etwa der Direktor des Centrums für Europäische Politik, Lüder Gerkens. Werde der Spar- und Reformkurs nicht weiter vorangetrieben, werde die Kreditfähigkeit Italiens weiter erodieren. "Das Land ist aber zu groß, um vom Rettungsschirm über Wasser gehalten zu werden", so Gerkens.