Prognose des IWF Staaten verschulden sich wieder mehr - nur Deutschland nicht
Die Schuldenquote steigt laut Prognosen des Internationalen Währungsfonds wieder weltweit. Deutschland entwickelt sich allerdings gegen den Trend und macht weniger Schulden. Woran liegt das?
Die öffentliche Verschuldung auf der Welt steigt Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge wieder an. Zwei Jahre ging sie zurück, doch bis Ende des Jahrzehnts soll sie wieder deutlich nach oben gehen.
Getrieben wird die Entwicklung dabei vor allem von den beiden führenden Volkswirtschaften der Welt, den USA und China, wie die Finanzorganisation in Washington mitteilte. "Eine Konsolidierung ist in den meisten Ländern nötig, um die Schuldentragfähigkeit und die Finanzstabilität zu gewährleisten." In den Haushalten müssten wieder Puffer geschaffen werden.
Entwicklung in Deutschland gegen den Trend
Gegen den Trend wird die Schuldenquote in Deutschland schrittweise zurückgehen und ab 2027 wieder unter 60 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, was innerhalb der EU eigentlich als Obergrenze vorgegeben ist. Dies gelang in den vergangenen Jahren jedoch vielen Mitgliedsstaaten nicht, der EU-weite Durchschnitt lag 2022 bei 84 Prozent.
Vor der Pandemie lag die Quote in Deutschland sogar schon unter 60 Prozent - doch mit Corona und dem Ukrainekrieg kamen viele schuldenfinanzierte staatliche Hilfen dazu. Die Schuldenquote sprang 2020 auf 68,7 Prozent. Seit 2022 sinkt sie wieder.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) wurde 1944 als UN-Sonderorganisation in Bretton Woods (USA) gegründet. Er überwacht weltweit die Finanzsysteme, um bei Zahlungsbilanzproblemen von Regierungen oder drohendem Staatsbankrott einzugreifen. Seine Kredite sind oft an umstrittene Auflagen geknüpft: So fordert der IWF häufig die Sanierung der Staatsfinanzen durch Preiserhöhungen und Subventionskürzungen. Der IWF hat 185 Mitgliedsländer, deren Kapitaleinlagen (Quoten) sich nach der Stärke ihrer Volkswirtschaft und ihrer Währungsreserven richten. Die Kapitaleinlagen bestimmen das Mitspracherecht bestimmen. Die USA sind größter Anteilseigner mit rund 17 Prozent, Deutschland hat etwa 6 Prozent.
Durchschnittlich lag die Verschuldung der Staaten 2023 bei 93,2 Prozent der Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Weltweit war sie 2020 wegen der Corona-Pandemie sprunghaft auf 99,4 Prozent gestiegen, seit 2021 und 2022 wieder gesunken. 2023 drehte der Wind. Die Schuldenquote erhöhte sich um knapp zwei Prozentpunkte. Bis 2029 sagt der IWF wieder einen Wert von knapp 99 Prozent voraus.
Ab wann sind Staatsschulden ein Problem?
Ab welchem Wert die Schuldenstandsquote ein ernsthaftes Problem für ein Land darstellt, ist in der Ökonomik umstritten, sagte Martin Beznoska, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) im vergangenen Jahr dem ARD-faktenfinder. "Allgemein lässt sich sagen, dass, wenn die Schuldenstandsquote über mehrere Jahre hinweg abdriftet, es zu einem Problem wird."
Denn dann drohe sich die Verschuldung zu verselbstständigen. "Wenn die Zinsbelastung eines Staatshaushalts immer weiter ansteigt, dann ist das Land irgendwann nur durch die Zinsen bereits im Defizit." Im schlimmsten Falle könne es dann irgendwann zu einer Staatspleite kommen, wenn die Kapitalmärkte nicht mehr daran glaubten, dass der Staat seine Schulden bedienen könne.
Entscheidend ist auch, ob ein Land in der Landeswährung oder einer Fremdwährung verschuldet ist. Bei ersterem können zur Not Staatsanleihen gekauft werden, um den Kurs zu stabilisieren. Damit ist eine Staatspleite quasi ausgeschlossen. Letzteres passierte Griechenland 2010: Damals drohte der Staatsbankrott.
Ökonomen fordern mehr Investitionen in Deutschland
In den USA dürfte sich die Schuldenquote von gut 122 Prozent im vergangenen Jahr bis 2029 auf fast 134 Prozent erhöhen. Für China wird ein Sprung von 83,6 Prozent auf gut 110 Prozent geschätzt. Dennoch sei bei diesen Ländern die Gefahr einer Staatspleite laut Experten momentan gering. Das liegt unter anderem an der starken Wirtschaft der Länder. Deutschland dürfte 2029 nur noch bei 57,7 Prozent liegen, weswegen zahlreiche Ökonomen höhere Investitionen fordern.
Die Bemühungen zur Normalisierung der Finanzpolitik seien in vielen Ländern nicht von Erfolg gekrönt, hieß es in einer Analyse des IWF. Das erschwere es den Notenbanken, ihren Kampf gegen die zu hohe Inflation abzuschließen. Die höheren Zinsen machten es vielen Staaten jetzt noch schwieriger, auf Herausforderungen wie den demografischen Wandel oder den Klimawandel zu reagieren.
IWF: In Wahljahren geben Staaten oft mehr aus
Nur noch die Hälfte der Länder haben 2023 laut IWF ihre Finanzpolitik restriktiver ausgelegt. 2022 waren es noch rund 70 Prozent. In diesem Jahr wird oder wurde bereits in 88 Ländern gewählt. Auf diese Staaten entfallen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und der Wirtschaftsleistung. Die Erfahrung lehre, dass Regierungen in Wahljahren mehr ausgäben und weniger Steuern verlangten, warnte der IWF.