Zwei Tage nach Attentat auf Abe Japan wählt neues Oberhaus
Nach dem Attentat auf den früheren Regierungschef Abe zeichnet sich bei der Oberhauswahl ein Sieg seiner Liberaldemokratischen Partei ab. Diese lag bereits vor den tödlichen Schüssen auf Abe in Umfragen vorn.
Überschattet von dem tödlichen Angriff auf Ex-Regierungschef Shinzo Abe wählen die Japanerinnen und Japaner heute einen Teil ihres Oberhauses. Gut die Hälfte der 248 Sitze der Parlamentskammer werden neu vergeben. Umfragen zufolge kann die regierende Liberaldemokratische Partei LDP, der auch Abe angehörte, mit einem Wahlsieg rechnen. Die LDP und ihr kleinerer Partner Komeito lagen bereits vor dem Attentat in Umfragen vorne.
Die Wahllokale schließen um 13.00 Uhr deutscher Zeit, erste Prognosen sollen direkt im Anschluss veröffentlicht werden. Für die kommenden drei Jahre sind keine weiteren landesweiten Wahlen in Japan geplant. Ein klarer Sieg würde die Machtposition von Regierungschef Fumio Kishida in einer Zeit stärken, in der Japans wirtschaftliche Erholung von der Corona-Pandemie durch steigende Energie- und Lebensmittelpreise bedroht ist. Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine und des Machtstrebens Chinas fordert seine Partei zudem eine starke Erhöhung der Militärausgaben.
Entsetzen und Trauer nach Attentat im In- und Ausland
Abe hatte am Freitag einen Wahlkampfauftritt zur Unterstützung eines Parteikollegen in der westjapanischen Stadt Nara absolviert, als er niedergeschossen wurde. Wenige Stunden später wurde Abe im Krankenhaus für tot erklärt. Die Gewalttat, die von einem 41-jährigen Japaner begangen wurde, sorgte im In- und Ausland für Entsetzen. Japans Regierungschef Kishida hielt trotzdem am Termin für die Wahl zum Oberhaus fest. "Wir dürfen auf keinen Fall dulden, dass während einer Wahl Gewalt eingesetzt wird, um die Meinungsäußerung zu unterdrücken", erklärte Kishida am Samstag. Er habe "eine Verantwortung, diese Oberhauswahl auf freie, gerechte und sichere Weise abzuschließen".
US-Außenminister Antony Blinken, der sich derzeit in Asien aufhält, hat für Montag einen Kondolenzbesuch in Japan angekündigt. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock besucht das Land, die Reise war jedoch bereits vor Abes Tod geplant. Zu den vielen Staats- und Regierungschefs, die nach dem Attentat kondolierten, gehörten auch Bundeskanzler Olaf Scholz, US-Präsident Joe Biden oder der frühere US-Präsident Obama.
In den USA wurden die Flaggen an Regierungsgebäuden auf Halbmast gesetzt. Auch Länder, mit denen Abe während seiner Regierungszeit aneinander geraten war, reagierten erschüttert. So äußerte sich etwa Chinas Staatschef Xi Jinping "zutiefst betrübt" über Abes gewaltsamen Tod.
Japans damaliger Regierungschef Abe 2018 auf dem G7-Treffen im kanadischen La Malbaie, zusammen mit der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump und weiteren G7-Regierungsvertretern.
Abe war der japanische Ministerpräsident mit der längsten Regierungszeit. Er vertrat nationalistische Positionen und wollte Japans pazifistische Verfassung ändern. Seine auf Konjunkturprogramme und Deregulierung setzende Wirtschaftspolitik wurde als "Abenomics" bekannt.
Attentäter ist geständig
Der Attentäter, der sofort nach der Tat am Freitag überwältigt und festgenommen wurde, hat nach Polizeiangaben in seinem Geständnis angegeben, dass er "einen Groll gegen eine bestimmte Organisation hege" und glaube, Abe habe eine Verbindung zu ihr gehabt. Japanischen Medien zufolge soll es sich um die umstrittene Vereinigungskirche des verstorbenen koreanischen Sektengründers San Myung Mun handeln. Die auch als Mun-Sekte bekannte Vereinigungskirche hat Mitglieder in vielen Ländern, darunter auch in Japan, und unterstützt konservative politische Anliegen. Politiker wie der frühere US-Präsident Donald Trump und Abe gelten als ihr freundlich gegenüber eingestellt. Die Familie des Attentäters war demnach wegen Spenden seiner Mutter an die Vereinigungskirche in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Für das Attentat hatte der 41-jährige Täter eine offenbar selbst gebaute Waffe verwendet. Der geständige Mann verneinte laut Medien im Verhör, aus Groll über Abes politische Überzeugungen gehandelt zu haben. Ursprünglich habe er es auch gar nicht auf den rechtskonservativen Politiker abgesehen gehabt, sondern auf einen Anführer der religiösen Gruppe. Laut der Nachrichtenagentur Kyodo soll er versucht haben, eine Bombe zu bauen. In seiner Wohnung fand die Polizei Sprengstoff und selbstgebastelte Schusswaffen, die der Tatwaffe ähnelten.