Libyens neuer starker Mann Der General, der plötzlich wieder da war
Seit einer Woche läuft die Militäroffensive des abtrünnigen libyschen Generals Haftar gegen islamistische Milizen, in mehreren Städten unterstützten ihn Tausende Demonstranten. Doch wer ist Haftar? Wo kommt er her - und wer unterstützt ihn womöglich?
1969 war Khalifa Haftar als junger Offiziersanwärter und Adjudtant von Muammar al-Gaddafi mit am Sturz des libyschen Königs Idris beteiligt. Was folgte war eine steile Karriere in den Streitkräften des Landes. Als Oberkommandierender wurde Haftar 1987 mit 300 Mann seiner Truppe im Libyen-Tschad-Konflikt gefangen genommen. Gaddafi leugnete damals, libysche Einheiten in den Tschad geschickt zu haben. Er ließ Haftar und dessen Männer fallen wie eine heiße Kartoffel. Die Amerikaner holten den Offizier, nicht ganz uneigennützig, aus der Kriegsgefangenschaft in die USA. Zu Beginn des Aufstands 2011 gegen den libyschen Langzeitherrscher kehrte Haftar in sein Heimatland zurück. Aufgrund seiner Kenntnis über Kriegstaktik, Logistik sowie der inneren Befehlsstrukturen der Gaddafi-Truppen war der heute 65-jährige Militär für die weitgehend unstrukturierten Rebelleneinheiten von unschätzbarem Wert. Vor drei Jahren kämpfte Haftar Seite an Seite mit Aufständischen, darunter auch islamistisch ausgerichtete Milizen, für ein Gaddafi-freies Libyen.
Khalifa Haftar will die islamistischen Milizen in Libyen bekämpfen.
Aus Verbündeten wurden Feinde
Jetzt sind die ehemaligen Verbündeten seine Feinde - die Islamisten im Osten des Landes und die Fraktion der Muslimbruderschaft im Übergangsparlament. Nach heftigen Gefechten in der Hafenstadt Benghazi und dem Angriff auf den Nationalkongress in Tripolis erklärte Haftar vor Journalisten: "Unsere Libysche Nationalarmee hat einen Kampf gekämpft, um unsere Nation und unser Volk zu beschützen. Dies ist kein Putsch gegen den Staat. Wir wollen keine Macht, und wir stehen der Demokratie nicht im Weg. Das Blut der Libyer ist heilig. Wir wollen nicht, dass sie zu den Waffen greifen. Aber Terroristen und ihre Unterstützer wollten diesen Krieg. Also lasst ihn ehrenhaft sein."
Die Wahl der Worte macht deutlich: Die Militäroperationen waren geplant, weitere werden folgen. In einem Interview mit der britischen Zeitung "Al sharq al Awsat" erklärte Haftar vor einigen Tagen, dieses Vorgehen sei rund zwei Jahre vorbereitet worden. Also vor der Wahl des libyschen Nationalkongresses im Juli 2012. Damals zeichnete sich ab, dass die von Katar finanzierte Muslimbruderschaft und andere Islamisten einen entsprechenden Einfluss im Übergangsparlament bekommen würden. Nach zweijährigem politischen Chaos und einer instabilen Sicherheitslage in Libyen taucht urplötzlich Haftar wieder auf.
Wer steckt hinter Haftar?
Für den politischen Analysten Josef Kichichian vom König Faisal Institut für Forschung und islamische Studien in Riad sind viele Fragen offen: "Wie kommt es, dass Haftar die libysche Nationalarmee anführt? Unklar ist auch, wer hinter ihm steckt. Klar ist nur, dass Europäer, die USA, Saudi-Arabien und andere Länder hier in Libyen eine Rückkehr zu mehr Stabilität wollen.
Ist der ehemalige Gaddafi-General derjenige, der diese innere Stabilität Libyens jetzt herstellen soll? Nach der Befreiung durch die Amerikaner aus der Kriegsgefangenschaft 1987 im Tschad verbrachte Haftar, der von ehemaligen Weggefährten als Patriot beschrieben wird, rund 20 Jahre im US-Bundesstaat Virginia, in der Nähe des CIA-Hauptquartiers von Langley. Wenig überraschend, dass dem Armeegeneral, über dessen Privatleben nichts bekannt ist, beste Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst nachgesagt werden. Laut einem Bericht des US-Kongresses aus den 1990er-Jahren gab es zwischen der CIA und der im US-Exil beheimateten Nationalen Libyschen Rettungsfront, kurz NFSL, eine Zusammenarbeit. Diese Gruppe, die aus Gaddafi-Gegnern und Anhängern der libyschen Monarchie bestand, wurde von der CIA unterstützt, ausgerüstet und in Guerillataktik sowie für Sabotageakte geschult. Der Kommandeur dieser Einheit damals: Khalifa Haftar.
1996 an Putschversuch beteiligt
1996 scheiterte im Osten Libyens ein Putschversuch gegen Gaddafi. Die von Haftar angeführte Kommandoaktion der libyschen Nationalarmee, wie sie sich fortan nannte, musste abgebrochen werden. Jetzt ist sie offenbar wieder da, die libysche Nationalarmee, und bekommt immer mehr Zulauf. Gestärkt durch diesen Zuspruch, versucht Haftar als Oberkommandierender dieser Einheit, Libyen politisch neu zu ordnen: "Mit dieser Erklärung setzen wir den obersten Richterrat in Kenntnis, dass wir auf einen zivilen Staat und auf politische Stabilität und Sicherheit in Libyen abzielen. Wir fordern das Richtergremium auf, einen zivilen Präsidialrat zu ernennen, der seinerseits folgende Maßnahmen trifft: Ernennung einer Übergangsregierung, die die politischen Geschäfte führt. Die Vorbereitung, Beaufsichtigung und Ausführung von Parlamentswahlen und drittens die Übergabe der Macht an das gewählte Parlament."
Ägypten dementiert Unterstützung
Steckt hinter diesen Forderungen ein Masterplan? Neben Ägypten, wo die Muslimbruderschaft als terroristische Vereinigung eingestuft wurde, haben Saudi-Arabien, Kuwait und die Vereinigten Arabischen Emirate größtes Interesse, dass die vom Golfemirat Katar finanzierten islamistischen Bestrebungen der Muslimbrüder in Libyen unterbunden werden. Medien-Spekulationen darüber, dass möglicherweise neben den Saudis auch die Ägypter das militärische Vorgehen Haftars unterstützen, wurden in Kairo umgehend dementiert. Und die Rolle der Amerikaner? Auffallend ist, dass man sich in Washington nach den ersten Angriffen der Haftar-Truppen lediglich besorgt zeigte über die neuerliche Gewalt in Libyen. Ansonsten: kein Kommentar.