Interview

Meteorologe zum Unfall der Louis Majesty Orkantief sorgte für Riesenwellen

Stand: 04.03.2010 17:34 Uhr

Mehrere Riesenwellen haben vor der spanischen Küste das zyprische Kreuzfahrtschiff "Louis Majesty" getroffen und zwei Menschen getötet sowie mindestens 14 verletzt. Der auf Seewetter spezialisierte Meteorologe Michael Knobelsdorf vom Deutschen Wetterdienstes in Hamburg berichtet im tagesschau.de-Interview: Die Wellen konnten bei einem so großen Unwetter ohne weiteres entstehen.

tagesschau.de: Wie ist es denn zu den Riesenwellen gekommen - und das im Mittelmeer?

Knobelsdorf: Zwischen den Balearen und Sardinien hat sich vor der spanischen und französischen Küste ein extrem heftiger Sturmwirbel gebildet. Bei Toulon in der Nähe von Marseille wurden Windböen gemessen, die Orkanstärke, also Windstärke 12, hat. Bei einem solchem Sturm sind durchaus Wellenhöhen von 10 bis 14 Metern drin. Da herrschten Winde von 70 Knoten, also 140 Kilometern pro Stunde!

Zur Person

Michael Knobelsdorf ist Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Hamburg. Das frühere Seewetteramt geht auf die Deutsche Seewarte von 1872 zurück. Heute sind rund 260 Mitarbeiter unter anderem für den Seewetterbericht für die deutschen Küsten zuständig. Im Bild: der Hauptsitz über den Landungsbrücken.

tagesschau.de: Woher die extreme Wetterlage?

Knobelsdorf: Schuld war ein Sturmtief. Dessen niedriger Luftdruck stieß gegen ein Hoch über dem Atlantik. Das Haupttiefdruckgebiet lag eigentlich vor der portugiesischen Küste, aber ein Teilteif hat sich mit kleinen, recht heftigen Wirbeln über den Balearen gebildet.

tagesschau.de: Und wie entstehen solche riesigen Wellen?

Knobelsdorf: Das ist so, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Dann entstehen immer mehr Wellen, sie schaukeln sich mehr und mehr hoch. Letztlich kann dann ein Maximum erreicht werden. Auf dem offenen Meer entstehen die Wellen in der Regel durch den Wind. Bei hohen Geschwindigkeiten und viel Platz können dementsprechend große Wellen herauskommen. Die erreichen dann zwar nicht die gleiche Geschwindigkeit wie der Wind. Bei Orkanwinden von stärke 12 kann es aber schon sein, dass die Wellen mit mehreren Dutzend Kilometern pro Stunde übers Wasser rasen. Andererseits können natürlich auch Erdbeben Riesenwellen auslösen - die sogenannten Tsunami, vor denen jetzt im Fall Chile wieder gewarnt wurde.

tagesschau.de: Sind solche Wellen denn nicht vorhersehbar? Dann bleibt man doch als Kapitän besser im Hafen...

Knobelsdorf: Ich gehe schon davon aus, dass der Kapitän eines Kreuzfahrtschiffs sich bestimmt die örtlichen Seewetterberichte genau ansieht. Gerade im Mittelmeer sind die sehr professionell. Und wie wir in Deutschland geben die Behörden dort ja neben der Windstärke auch den möglichen Wellengang an. Den kann man genau berechnen, indem man die Modellrechnungen mit den entsprechenden Werten füttert.

Riesenwellen

Riesenwellen oder auch Monsterwellen galten lange Zeit als Erfindung der Seeleute. Mittlerweile ist die Wissenschaft dem Phänomen jedoch auf den Grund gegangen. So unterscheiden Experten heute drei Arten besonders großer Wellen: Die unförmigen "Kaventsmänner" treten einzeln auf und folgen nicht unbedingt der Richtung des Seegangs. Folgen mehrere haushohe Wellen dicht aufeinander, nennt man das Phänomen die "Drei Schwestern" - das hat offenbar auch die Louis Majesty getroffen. "Weiße Wand" wird eine fast senkrechte und teils sehr breite Welle genannt - von deren Kamm die weiße Gischt herabsprüht.

tagesschau.de: Erleben wir eigentlich aktuell eine ungewöhnliche Wetterlage?

Michael Knobelsdorf: Ja, irgendwie tanzt das Klima aus der Reihe. So einen heftigen und vor allem lang anhaltenden Winter hatten wir ja lange nicht mehr. Klar, im Frühjahr gibt es immer wieder Tiefdruckgebiete, auch im Mittelmeerraum. Aber die letzten Wochen waren ja wirklich extrem: Erst Xynthia, dann die Wetterkapriolen auf Madeira. Und gestern schließlich das Tief über dem Mittelmeer.

Das Interview führte Johannes Wagemann für tagesschau.de