Libanon Welche Folgen haben die Angriffe für die Hisbollah?
Erst explodierende Pager, dann Funkgeräte, nun der Angriff in Beirut. In der libanesischen Bevölkerung herrscht Verunsicherung, die Hisbollah droht mit Vergeltung für die Schläge. Aber wie geschwächt ist die Miliz?
Arabische Medien berichteten von mehr als 100 Luftangriffen innerhalb einer Stunde: Die israelische Armee habe heute zahlreiche Stellungen der schiitischen Hisbollah-Miliz im Süden des Libanon angegriffen. Kurz darauf: Luftalarm im Norden Israels. Nach Angaben der israelischen Armee feuerte die Hisbollah 25 Raketen ab, die größtenteils abgefangen worden sein.
Die intensiven Gefechte folgten einen Tag auf das Bombardement eines Hochhauses im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut. Dort sollen sich am Freitag wichtige Funktionäre der Hisbollah versammelt haben. Am Ort des Angriffs räumten Rettungskräfte auch heute Trümmer beiseite und bargen weitere Opfer.
Stimmen aus der libanesischen Bevölkerung vermitteln eine Mischung aus Verunsicherung, Ohnmacht und Wut. Ein älterer Mann sagt:
Israel begeht Kriegsverbrechen. Das erinnert uns an das Vorgehen in Gaza - jetzt geht es auch im Libanon los. Was die Israelis in den letzten drei Tagen getan haben, überschreitet alle rote Linien.
Überfall auf Israel geplant?
Die Schiitenmiliz gab nach und nach bekannt, welche ihrer Kommandeure bei dem israelischen Angriff getötet wurden. Der hochrangigste war Ibrahim Akil, der Chef der Elite-Einheit Radwan. Nach US-Angaben war Akil auch an der Bombardierung der amerikanischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt im Jahr 1983 beteiligt, die Regierung in Washington hatte auf den Terroristen ein Kopfgeld in Höhe von sieben Millionen Dollar ausgesetzt.
Der israelische Armeesprecher behauptete, Akil habe einen Überfall auf Israel geplant, ähnlich verheerend wie das Massaker der Hamas am 7. Oktober. Zu den Getöteten zählte nach Aussage der Hisbollah auch Ahmed Mahmud Wahbi, der nach dem 7. Oktober die militärischen Operationen der Hisbollah-Spezialkräfte geleitet habe.
"Abhängigkeit von einzelnen Personen abgebaut"
Die vom Iran mit Waffen und Geld unterstützte Hisbollah gilt als strikt hierarchisch organisierte Miliz. Wie sie darauf reagieren könnte, dass innerhalb kürzester Zeit zahlreiche ihrer Führungskader getötet wurden, ist ungewiss.
"Ich gehe davon aus, dass die Hisbollah die Abhängigkeit von einzelnen Personen abgebaut hat", sagt der libanesische Politikwissenschaftler Wassim Bazzi. "Sie stützt sich auf eine etablierte Organisation. Für jeden Verlust gibt es zwei oder drei Alternativen, die automatisch nachrücken."
Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hatte am Donnerstag - also noch vor dem jüngsten Angriff - in einer Rede zugegeben, dass seine Miliz geschwächt sei. Er hatte Israel mit Vergeltung gedroht, ohne dabei konkret zu werden.
Im Libanon gibt es allerdings auch Stimmen, die die Miliz aufrufen, klein beizugeben. Wegen ihrer militärischen Unterlegenheit biete sie für die libanesische Bevölkerung keinen Schutz, sondern stelle eher eine Gefahr da, sagt Wahbi Qatisha. Der ehemaliger Brigadegeneral saß eine Zeit lang für die christlich-rechts-nationalistischen Lebanese Forces im Parlament. "Die Hisbollah kann die Libanesen, insbesondere die eigenen Anhänger, nicht mehr davon überzeugen, dass sie den Südlibanon verteidigt. Diese Lüge ist vorbei", äußerte er sich im Interview mit dem Fernsehsender Al-Hadath.
Tote auf beiden Seiten
Seit letztem Oktober liefern sich die Hisbollah und die israelische Armee fast täglich Gefechte, vor allem in der libanesisch-israelischen Grenzregion. Seither hat Israel fast 500 Hisbollah-Mitglieder getötet - sowie nach Zählungen von Nachrichtenagenturen mehr als 150 Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden bislang 24 Soldaten und 14 Zivilisten getötet.
Außerdem kamen Ende Juli zwölf Kinder bei einem Raketeneinschlag auf die von Israel besetzten Golanhöhen ums Leben. Israel und die USA machen die Hisbollah für diesen Angriff verantwortlich.