EU-Vertrag vor Verfassungsgericht Europa schaut auf Tschechien
Das tschechische Verfassungsgericht befasst sich heute erneut mit dem EU-Reformvertrag. Geklagt hatten mehrere EU-kritische Senatoren. Geben die Richter grünes Licht, ist Präsident Klaus am Zuge. Allein seine Ratifizierung steht noch aus, dann kann der Vertrag in Kraft treten.
Von Kilian Kirchgeßner, ARD-Studio Prag
Es ist bereits das zweite Mal, dass sich das höchste tschechische Gericht mit dem Lissabon-Vertrag auseinandersetzt. Bei seiner ersten Entscheidung im vergangenen Jahr gab es grünes Licht - allerdings bewerteten die Richter damals nur einige besonders strittige Absätze und nicht den Lissabon-Vertrag als Ganzes.
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus ist erklärter Gegner des EU-Vertrags von Lissabon.
Europaskeptiker wettern dagegen
Eine Gruppe von europaskeptischen Parlamentariern hat das Gericht deshalb noch einmal angerufen. Sie argumentieren, dass Tschechien nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags seine Souveränität verlieren könnte. Deshalb stehe Lissabon nicht in Einklang mit der Landesverfassung. Der Prager Senator Jiri Oberfalzer ist einer der Kläger: "Ich halte den Lissabon-Vertrag für ein Instrument, mit dem die früheren 15 EU-Mitgliedsländer ihren Einfluss sichern wollen. Es geht darum, dass die großen Länder die Union alleine steuern wollen: Spanien, Italien, Großbritannien, Deutschland und Frankreich."
Staatspräsident Klaus nannte Vorgehen "laienhaft" ...
Vor dem Verfassungsgericht werden die Lissabon-Kritiker erneut ihre Argumente vorbringen. Staatspräsident Vaclav Klaus wird bei der Verhandlung nicht anwesend sein. Er lässt sich durch einen Anwalt vertreten, der in seinem Namen die Argumente gegen den Lissabon-Vertrag vorbringen wird. Bei der ersten Entscheidung vor fast einem Jahr war Klaus noch selbst anwesend. Nach dem Urteilsspruch griff er die Richter mit harschen Worten an, weil sie dem Lissabon-Vertrag zugestimmt hatten. Er sagte, das Verfassungsgericht habe die Entscheidung in hohem Maße von der rechtlichen Ebene auf die politische verschoben. "Auf eine laienhafte, subjektive und konzeptionell falsche Art an die Frage heranzugehen - das ist für mich hochgradig unverständlich", so Klaus weiter.
... doch er signalisiert Einlenken
Trotz solcher Richterschelte erwarten Beobachter in Tschechien, dass die Verfassungsrichter auch diesmal der Argumentation der Kläger nicht folgen und dem Lissabon-Vertrag zustimmen werden. Das würde Klaus in Zugzwang bringen: Er hat das Vertragswerk noch nicht ratifiziert. Nach einem positiven Votum der Verfassungsrichter würde der Druck auf ihn von Seiten der Europäischen Union weiter wachsen. Bereits vor einigen Tagen hat Klaus sein Einlenken im Streit um den Lissabon-Vertrag signalisiert. Allerdings hält er weiter an seiner Bedingung fest, eine Bestandsgarantie für die umstrittenen Benes-Dekrete zu erhalten.