EU-Kommission will Transparenz für Lobby-Arbeit "Ein guter Lobbyist muss Europa lieben"
80 Prozent der Wirtschaftsgesetze macht die EU - kein Wunder, dass Brüssel ein Mekka der Lobbyisten ist. Dort bieten Schulen sogar eine entsprechende Ausbildung an. Weil die Arbeit der Interessenvertreter undurchsichtig ist, startet die EU-Kommission nun ein Lobby-Register.
Von Eva Dombo für tagesschau.de
"Booze, Blondes and Bribes" – eine in den USA, Geburtsland der Interessenvertretung, gängige Assoziation für die Praktiken der Lobbyisten. Spätestens seit Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat das angelsächsische Phänomen auch in Europa Einzug gehalten. Der sogenannte "Euro-Lobbyismus" ist längst Brüsseler Realität: 25.000 Menschen, so schätzt Christian Le Clercq, Gründer und Präsident von EIPAL, der ersten Lobbyingschule in Brüssel, zielen tagtäglich darauf ab, die Geschicke der europäischen Institutionen zu beeinflussen.
Beruf Lobbyist – die Nachfrage nach Aus- und Weiterbildungsangeboten ist trotz schlechtem Image groß. Laut Definition beeinflusst der Lobbyist gezielt politische Entscheidungen, um Interessen von Unternehmen, Bürgern oder Nicht-Regierungsorganisationen (NROs) durchzusetzen. Dabei sind die Bezeichnungen für die Branche - Interessenvertretung, Public Affairs, politische Kommunikation, Politikberatung - so vielfältig wie das Metier selbst.
Ausländische Diplomaten, Vertreter der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft sowie Hochschulabsolventen drücken gemeinsam die Lobby-Schulbank in Brüssel und werden in europäischer Institutionenkunde und Einflusspraktiken unterrichtet. 2850 Euro kostet ein Diplom. "Ein guter Lobbyist", so Le Clercq, "muss Europa lieben, mindestens drei Sprachen sprechen und die Branche kennen."
Enge Zusammenarbeit mit Beamten und Abgeordneten
Seine Schule arbeitet eng mit der Kommission zusammen. Entgegen aller Vorurteile ist das Verwaltungsorgan der EU kein Bürokratie-Monster, sondern beschäftigt für die Belange von 500 Millionen Bürgern nur 24.000 Beamte – nicht mehr als die Pariser Stadtverwaltung.
Kein Wunder, dass angesichts der komplexen Gesetzestexte und Richtlinien EU-Funktionäre und Abgeordnete überfordert sind und externe Hilfe suchen. "Vertreter von Kommission und Parlament sind daran interessiert, die Meinungen der betroffenen Interessengruppen zu hören", erklärt Robert Mack, Brüsseler Chef von Burson Marsteller, dem weltweit größten und einflussreichsten Public-Relations-Unternehmen. Die Zusammenarbeit mit den Beamten laufe prinzipiell gut, beide profitierten von dem Handel an Informationen.
Eliteschulen als Karrierresprungbrett
Am allerwichtigsten ist die Kontaktpflege. Die ersten sozialen Netzwerke werden oft in privaten Eliteunis geknüpft, wie zum Beispiel dem College of Europe (CoE). Werbewirksam versichert Javier Solana, der "Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik", auf der Homepage, dass aus dem College "sukzessive Generationen von europäischen Führern hervorgegangen sind" und "Ehemalige zu den bestqualifizierten Entscheidungsträgern zählen". Lobby-Schule will sich die angesehene Institution natürlich nicht nennen, ganz lobbyfern kann die Ausbildung jedoch nicht sein: Laut Robert Mack rekrutiert Burson Marsteller vor allem Absolventen des CoE.
Was macht man dann, als Angestellter der weltweit größten Lobbyfirma in Brüssel? "Es ist ein bisschen übertrieben, zu sagen, dass der Alltag eines Lobbyisten darin besteht, jeden Tag mit Politikern zu dinieren", findet Mack. "Aber man muss natürlich mit den Entscheidungstreffern in Kontakt treten, um ihnen seinen Blickpunkt zu unterbreiten." Das Ergebnis dieser Interaktion sei dann ein demokratischer Dialog.
Mehr Transparenz im Lobbydschungel
Lobbyismus als Helfer der Demokratie? Tatsache bleibt, dass die Interessenvertreter nicht demokratisch legitimiert sind. Und auch sonst ist wenig bekannt über Praktiken und Taktiken derjenigen, die aktiv am politischen Entscheidungsprozess der EU mitwirken. Das soll nun die Transparenzinitiative von Anti-Korruptions-Kommissar Siim Kallas ändern, in deren Rahmen auch ein freiwilliges Lobby-Register veröffentlicht wird. "Das Allerwichtigste im Geschäft ist, verantwortungsbewusst und ethisch korrekt zu handeln", meint auch Robert Mack und begrüßt das Register. Kritikern geht die Maßnahme jedoch nicht weit genug. "Am Lobbying-Register wurde viel Lobbyarbeit geleistet", gibt auch ein Sprecher von Kommissar Kallas zu.
Im Rahmen der 2005 von Kommissar und Vizepräsident Siim Kallas ins Leben gerufenen Transparenz-Initiative veröffentlicht die Kommission am 23. Juni 2008 ein freiwilliges Internetregister für Lobbyisten. Sie sind dazu aufgerufen, sich zu registrieren und damit ihre Interessen, Kunden und Finanzen auszuweisen. Gleichzeitig mit der Registrierung unterschreiben sie einen Verhaltenskodex, der zusammen mit den Interessengruppen ausgearbeitet wurde. Ein geplanter Kontrollmechanismus soll die Angaben überprüfen. Die Einführung ist aber nur ein Etappenziel: Langfristig ist geplant, ein einziges Register gemeinsam mit dem EU-Parlament zu schaffen. Das Parlament würde dann nur eingetragene Lobbyisten in das Gebäude lassen. Faktisch wäre das bislang freiwillige Register dann Pflicht- auch ohne Gesetz.
Einen Vorteil hat das Register aber auf jeden Fall: Es gibt einen Überblick über das Ausmaß des Eurolobbyismus, den "bis jetzt keiner hat", so der Kommissionssprecher. Außerdem wird klar, welche Interessen überhaupt vertreten werden. Kim Otto ahnt es schon: "Es dominieren fast immer die Wirtschaftsinteressen." Der Journalist und Professor an der Macromedia-Hochschule in Köln hat aufgedeckt, dass die Europa-Politik sogar ganz direkt von Konzernen bestimmt wird: "Die EU-Kommission ist von Vertretern der Privatwirtschaft infiltriert."
Konzernvertreter schreiben an Richtlinien mit
Diese würden als zeitweilige Beamte an Richtlinien und Verordnungen mitarbeiten und dabei weiterhin von ihren Firmen bezahlt. Konzernvertreter übernehmen legal staatliche Aufgaben - das "In-House-Lobbying", laut Otto eine deutsche Erfindung, wird in zahlreichen Lobbying-Führern als das Non Plus Ultra der Einflussnahme beschrieben.
Während der Bundestag die Praktiken von Lobbyisten in Ministerien gerade prinzipiell bestätigt hat, will Kommissar Kallas dem jetzt aber in den EU-Behörden ein Ende bereiten und die Verträge der Leihbeamten auslaufen lassen. Ganz ohne Lobbyisten wird die EU aber auch weiterhin nicht auskommen. Der Medienexperte Otto meint: "Lobbyismus ist unabdingbar in einer Demokratie." Rosige Zukunftsaussichten also für die Studenten der Brüsseler Lobbyschulen.