Mali und die EU Das Dilemma mit den Abschiebungen
Viele Minister aus Europa fordern afrikanische Staaten wie Mali auf, mehr gegen illegale Migration zu unternehmen. Ein Interessenkonflikt, denn die armen Länder profitieren von den Migranten. Ein politisches Dilemma.
Im Oktober war die Bundeskanzlerin in Mali und Mitte Dezember kam der niederländische Außenminister zu Besuch. Beide sprachen mit hohen Repräsentanten der Regierung von Mali. Beide redeten mit ihnen über Migration und über die Rücknahme malischer Staatsbürger, die sich illegal in Europa, vor allem in Frankreich und Deutschland, aufhalten.
Als der niederländische Außenminister Bert Koenders nach seinem Besuch in Mali heimkehrte, gab er eine Presseerklärung heraus. Darin hieß es, Koenders habe - im Namen der Europäischen Union - mit Mali eine Vereinbarung unterzeichnet. Die EU und Mali hätten sich grundsätzlich auf die Rücknahme von illegal eingereisten Migranten durch das westafrikanische Land geeinigt.
Malis Außenminister widerspricht
In Europa lief die Meldung über Nachrichtenagenturen, Radio und Fernsehsender. Die Nachricht sollte wohl einen Erfolg im Abwehrkampf der Europäischen Union gegen illegale Einwanderung aus Afrika markieren.
In Mali ging daraufhin der Außenminister Abdoulaye Diop vor die Presse. "Das war eine totale Überraschung", sagte Diop. "Unser Staatschef, unser Premierminister und wir haben aus den internationalen Medien erfahren, dass wir uns da engagiert hätten."
Nach Aussagen des Außenministers wurde kein Abkommen mit der Europäischen Union unterzeichnet. "Kein Abkommen zur Rücknahme, keins zu Abschiebungen. Es gibt kein Abkommen, dass es irgendeinem Land oder einer Institution erlauben würde, unsere Landsleute, die sich illegal an einem Ort aufhalten, abzuschieben", fügte Diop hinzu. Während der holländische Außenminister also stellvertretend für die Europäische Union von einer "Vereinbarung" sprach, schloss sein Amtskollege in Mali ein Abkommen aus.
Knallharte Interessen beim Thema "Abschiebung"
Beim heiklen Thema "Abschiebung" verfolgen alle Seiten knallharte Interessen. In den Niederlanden wird beispielsweise Ende März 2017 ein neues Parlament gewählt. Illegale Einwanderung wird dabei ein wichtiges Thema sein. Welcher Politiker würde da nicht gerne mit einem Abkommen punkten, das Abschiebungen angeblich leichter macht?
Die Europäische Union will die Einwanderung aus Afrika eindämmen. Die EU-Kommission kündigte deshalb an, Migrations-Partnerschaften mit Ländern wie Mali zu schließen. Dazu gehört auch, Abschiebungen zu erleichtern. Wenn Mali kooperiert, soll es belohnt werden. Wenn nicht, dann wäre das schlecht.
Federica Mogherini, die Außenbeauftragte der Europäischen Union, spricht aber gerne von Erfolgen der neuen Migrationspolitik: "In Mali und im Senegal kümmern wir uns mit gezielten Projekten um die Ursachen für Migration." Laut Mogherini sollen die Regierungsführung und die Melderegister verbessert und die Zahl der Rückkehrer erhöht werden. Das zählt zu den Interessen der Europäischen Union in der Migrationspolitik.
Mali profitiert von europäischen Migranten
Und dann sind da die Interessen eines Landes wie Mali, das zu den ärmsten Staaten der Welt gehört. Auswandern hat in Mali Tradition. Das gehört zur Kultur des Landes.
Die Migranten liefern ihrem Land und ihren Familien handfeste Vorteile. Denn sie arbeiten und überweisen aus dem Ausland Geld in die Heimat. Die Überweisungen machten 2015 knapp sieben Prozent des malischen Bruttoinlandsproduktes aus. Ganz unabhängig davon, ob sich malische Migranten legal oder illegal im Ausland aufhalten.
Kein Wunder, dass angesichts derart gegensätzlicher Interessenlagen unterschiedliche Resultate präsentiert wurden. Je nach heimischem Publikum. Was für Mali kein Abkommen über Abschiebungen ist, stellt für Hollands Außenminister aber doch eine Vereinbarung dar und für die Europäische Union einen Fortschritt. Irgendwann werden dann die Zahlen sprechen: Wie viele Rückkehrer und Abgeschobene tatsächlich wieder in Mali ankamen.