May trifft Juncker Und ewig grüßt Theresa
Im Brexit-Streit ist die Lage völlig verfahren. Premierministerin May will in Brüssel erneut Zugeständnisse erreichen, um den angekündigten EU-Austritt ohne Chaos vollziehen zu können.
Jean-Claude Juncker erwartet nicht viel von seiner Besucherin aus London. Er schätze Theresa May sehr und respektiere sie für ihren Mut und ihren Durchsetzungswillen, betonte der EU-Kommissionspräsident gestern Abend. Man werde heute in Brüssel freundlich miteinander reden.
Aber er denke nicht, dass man "zu Potte" komme, gab sich Juncker im Landtag von Baden-Württemberg illusionslos. Immerhin sieht der EU-Kommissionspräsident gute Chancen, den Scheidungstermin aufzuschieben. Keiner der 27 Mitgliedsstaaten würde sich einem britischen Antrag auf Verlängerung der Brexit-Frist widersetzen, prophezeite Juncker.
Allerdings müssten die Briten an den EU-Parlamentswahlen teilnehmen, wenn die Frist bis zum Wahltermin Ende Mai verlängert werden würde, so Juncker auf einer Veranstaltung in Stuttgart.
May und Juncker haben sich schon mehrmals zu Brexit-Gesprächen getroffen - ohne handfeste Ergebnisse.
May soll Brexit-Termin verschieben
Bereits in der vergangenen Woche appellierten 40 ehemalige britische Spitzendiplomaten an Theresa May, den bisher für den 29. März geplanten Austrittstermin zu verschieben - bis Klarheit über das Verhandlungsziel herrsche. Doch dieses Verhandlungsziel ist nicht in Sicht.
Der deutsche Europastaatssekretär, Michael Roth, betonte gestern in Brüssel, er sehe auf der britischen Seite "derzeit noch nicht die notwendige Bewegungsbereitschaft". 37 Tage vor dem Scheidungstermin sei die britische Bewegungsbereitschaft überfällig, mahnte er.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: "Was wir dringend brauchen, sind realistische Vorschläge, welche die britische Regierung auf den Tisch zu legen hat."
Doch realistische Vorschläge, die eine Mehrheit in London finden und gleichzeitig zustimmungsfähig in Brüssel sind, seien derzeit nicht in Sicht. "Die wissen seit drei Jahren nicht, was sie wollen", lautet dazu der Kommentar von Elmar Brok, dem Brexit-Experten der Konservativen im EU-Parlament.
May lehnt Zollunion ab
Oppositionschef Jeremy Corbyn will mittlerweile eine Zollunion mit der EU, doch die lehnt May kategorisch ab. Die britische Premierministerin will stattdessen die von ihr selbst zugesagte und unterschriebene unbefristete Garantie für eine ungeteilte und grenzfreie irische Insel begrenzen.
Doch auf eine befristete Garantie will sich die EU nicht einlassen. London und Brüssel riskieren damit, dass - im Fall eines harten Brexit - Nordirland in wenigen Wochen hinter einer harten EU-Außengrenze liegt.
Brexit-Experte Brok stellte bereits vergangenen Monat in Straßburg klar, dass die EU - im Fall eines harten Brexit - lieber die Gefahr eines wiederaufflammenden Nordirland-Konfliktes in Kauf nimmt, als die Gefährdung des EU-Binnenmarktes durch eine offene und unkontrollierte EU-Außengrenze auf der irischen Insel.
Brok will EU-Binnenmarkt schützen
Broks Begründung: "Diese harte Grenze schadet Großbritannien viel mehr als uns." Vor allem würde die harte Grenze Nordirland schaden. Will die EU tatsächlich lieber das Risiko eines neuen Nordirland-Konfliktes eingehen als das Risiko, dass Chlorhühnchen oder Hormonrinder unkontrolliert via Nordirland in die EU kommen?
Brok vermag da keine Zwickmühle für die EU erkennen. Für ihn hat die Verteidigung des Wohlstandsgaranten namens EU-Binnenmarkt und seiner Außengrenzen oberste Priorität. Und so sieht es auch Juncker, Mays heutiger Gastgeber in Brüssel.