Vor Brexit-Erklärung im Unterhaus May spielt weiter auf Zeit
Bei ihren Gesprächen in Brüssel blitzt sie regelmäßig ab, heute steht sie im Unterhaus Rede und Antwort: Doch Premierministerin May hat nichts Konkretes zu bieten - und spielt weiter auf Zeit.
Mit konkreten weiteren Schritten ist beim Statement der britischen Premierministerin Theresa May im britischen Unterhaus nicht zu rechnen.
Auch heute wird sie die Abgeordneten vertrösten und um mehr Zeit für weitere Verhandlungen mit Brüssel bitten, prophezeit Iain Begg, Professor am Europa-Institut der London School of Economics. "Theresa May ist sehr hartnäckig. Sie wird wieder sagen, dass sie ihr Bestes gegeben hat. Aber wir werden keine wirkliche Lösung in der nächsten Woche erreichen."
Ende des Monats will sie erneut nach Brüssel reisen. Nach wie vor fordert May von der EU rechtlich bindende Änderungen für den sogenannten Backstop, der Notfalllösung, die eine harte Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland vermeiden soll. Damit will sie vor allen Dingen den Brexit-Hardlinern und ihrem kleinen Koalitionspartner, der nordirischen DUP, gerecht werden.
Sehen sich regelmäßig in Brüssel, ohne Neues zu vereinbaren: die britische Premierministerin May und EU-Kommissionschef Juncker.
EU gibt sich unnachgiebig
Doch Brüssel betonte immer wieder, dass das Austrittsabkommen nicht wieder aufgeschnürt wird. May spielt weiter auf Zeit. Für Iain Begg ist die Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 unausweichlich:
Der Druck, den Brexit zu verschieben, wächst. Dazu wäre die EU wohl auch bereit. Es gibt Signale, wie etwa von EU-Kommissar Günther Oettinger, der sagt: Wir würden einen gut begründeten Antrag für eine Verlängerung akzeptieren.
Doch einer Verschiebung des Brexit erteilte May immer wieder eine Absage. Sie bleibt dabei: Großbritannien verlässt die EU am 29. März. Zur Not auch mit einem No-Deal-Brexit, einem Austritt ohne Abkommen, wie sie nicht müde wird zu betonen.
"Es ist alles sehr verworren"
Genau wie die konservative Tory-Partei ist auch Labour über den Brexit tief gespalten, sagt der Wissenschaftler der London School of Economics:
Theresa Mays Strategie ist es, ausreichend Labour-Abgeordnete zu gewinnen und damit ihre eigenen abtrünnigen Tories auszugleichen, um so eine Mehrheit für ihren Brexit-Deal zu bekommen. Doch damit könnte sie endgültig die Unterstützung der Brexit-Hardliner verlieren und auch diejenigen in ihrer Partei, die für den Verbleib in der EU sind. Dann wird sie immer noch weitere Stimmen der Opposition benötigen. Es ist alles sehr verworren.
Zollunion - nicht mit May
Nach wochenlangem Schweigen hatte Jeremy Corbyn Ende letzter Woche einen Vorstoß gemacht, fünf Bedingungen aufgezeigt, unter denen Labour das Abkommen der Premierministerin unterstützen würde. Allerdings verprellte er damit die Abgeordneten in seiner Partei, die ein zweites Referendum erreichen wollen. Corbyns Kernforderung: Eine dauerhafte Zollunion mit der EU, ein weicherer Brexit. Diese Forderung hat May jedoch abgelehnt.
Aber sie signalisiert Gesprächsbereitschaft, schlägt einen ungewohnt versöhnlichen Ton an. Der Labour-Abgeordnete John Mann ist optimistisch. Er selbst unterstützte bereits in der Vergangenheit Mays Deal. Gegenüber der BBC sagte er:
Die Sache ist komplex. Jeremy Corbyn und Theresa May werden sich treffen müssen und das Ganze ausfechten, um zu sehen, ob sie einen Konsens finden. Aber es geht meines Erachtens in die richtige Richtung.
Labour-Chef Corbyns Vorschlag einer Zollunion mit der EU stößt bei May auf Ablehnung.
"May ist nicht mehr die geeignete Person"
Laut Mann überlegen sich 40 bis 60 Labour-Abgeordnete, für Mays Abkommen zu stimmen. Wenn sie zu sehr auf die Opposition zugeht, riskiert May jedoch den endgültigen Bruch ihrer Partei, erklärt Iain Begg von der London School of Economics.
Ich denke, dass Theresa May nicht mehr die geeignete Person ist, die eine Lösung hervorbringen kann. Mein Vorschlag wäre eine Art Große Koalition - so wie in Deutschland, die das Brexit-Problem löst. May sollte nicht daran beteiligt sein, aber genauso wenig der Oppositionsführer Jeremy Corbyn. Das scheint mir die einzige Möglichkeit, mit einer glaubwürdigen Lösung aus diesem Schlamassel herauszukommen.
Aber auch das scheint - wie in diesen Tagen in Großbritannien so oft beschworen - ein Einhorn zu sein, eine Wunschvorstellung. Denn wie es dazu kommen könnte, darauf hat auch der Wissenschaftler keine Antwort. Nach dem Statement von May werden die Abgeordneten am Donnerstag im britischen Unterhaus über das weitere Vorgehen abstimmen.