ARD-Dokumentation "Tage des Terrors" Der Tag danach: Die Zerstörung wird sichtbar
"Wir werden einen gigantischen Kampf führen, das Gute gegen das Böse, aber das Gute wird siegen", sagte Bush. Kritiker fürchten, dass die Möglichkeiten zu einer differenzierten Analyse der Weltlage vertan sind. Die Angst vor unbesonnenen Aktionen wächst.
Manhattan am Tag nach dem Inferno. Rauch und Staub sind verweht, jetzt wird das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Außer den Zwillingstürmen des Handelszentrums sind noch fünf Nebengebäude und das Marriott Hotel zerstört, ein Dutzend andere schwer beschädigt.
Am Tag des Unglücks war Nat nur todmüde, wirklich eingeholt hat ihn der Schrecken erst am Tag darauf. "Meine Augen werden feucht, wenn ich an diese Menschen denke... An die, die es nicht geschafft haben. Ich hatte ja Glück, in gewisser Weise auf Kosten von anderen, weil das erste Flugzeug in den anderen Turm knallte, das hat mir die Zeit verschafft, aus dem 60. Stock so weit runterzulaufen, dass ich das zweite Flugzeug überleben konnte".
Größte Fahndung in der Geschichte der USA
7000 FBI-Agenten und andere Polizisten sollen an der größten Fahndung in der Geschichte der Vereinigten Staaten beteiligt sein. Schon am Mittwochabend hatten die Ermittler nach eigenen Angaben den Unterschlupf von zwei der mutmaßlichen Entführer in Florida ausgehoben. Die Entführer steuerten die gekaperten Flugzeuge offenbar selbst auf ihre Ziele. Hier in Florida konnten sie es lernen. Sie lebten, ohne Misstrauen zu erregen, in einem Häuschen nahe einer Flugschule in Venice.
"Ehrbare Bürger vermieteten arglos an die Terroristen, das ist kaum zu glauben", sagt der Vermieter des Hauses, "das war so ziemlich der Schock unseres Lebens, als wir das heute Morgen hörten. Die Polizei hat mir gesagt, dass man glaubt, dass die beiden zu denen gehörten, die das Flugzeug kaperten, das ins World Trade Center flog".
Flugtraining unter den Augen der Behörden
Die Spuren der Terroristen sind offenbar nicht schwer zu verfolgen, denn sie lebten nicht im Untergrund. Auf dem Provinzflughafen von Venice lernten zwei Terroristen das Einmaleins der Fliegerei. Nie erregten sie Misstrauen. Möglicherweise haben alle Terroristen ihr Training unter den Augen der Behörden in den USA absolviert.
Der Fluglehrer erinnert sich, dass Mohammed Atta schon 1996 drei Monate lang sein Schüler war. Dann verschwand er und kam im Januar 1997 wieder, da hat er noch mal ein Training absolviert. "Und dann habe ich erst wieder von ihm gehört, als er mich im letzten Jahr kontaktierte".
Spur führt auch nach Deutschland
Aber wie konnten insgesamt 19 Terroristen mit Messern bewaffnet in die Maschinen gelangen? Dem amerikanischen Geheimdienst wird vorgeworfen, sich anstatt auf Agenten mit guten Kontakten viel zu sehr auf seine moderne Technik zu verlassen, und die Fluggesellschaften stehen am Pranger, weil sie schlampig kontrollierten.
Die Spur des mutmaßlichen Terroristen Mohammed Atta und seines Komplizen Marwan Al-Shehhi führt auch nach Deutschland. Am Mittwoch durchsuchte die Hamburger Polizei Wohnungen und sicherte Beweismittel. Mindestens zwei der Täter haben längere Zeit in Hamburg gelebt und waren als Studenten der Elektrotechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg eingeschrieben. Nach Auskunft der Bundesanwaltschaft gibt es aber keine Hinweise auf eine Verbindung der Hamburger Gruppe zu dem international gesuchten Terroristen bin Laden.
Akt des Krieges
Wird Bin Laden für George Bush zur Verkörperung des Bösen, gegen das Amerika immer wieder in die Schlacht zieht? "Die Angriffe auf unser Land waren Akte des Krieges," sagte Busch schon am vergangenen Mittwoch. "Aber Amerika hält zusammen, und die freiheitsliebenden Nationen der Welt stehen uns zur Seite. Wir werden einen gigantischen Kampf führen, das Gute gegen das Böse, aber das Gute wird siegen". "Wieviel Spielraum", fragen Kritiker, "bleibt jetzt noch für eine differenzierte Analyse der Weltlage?"
So war es ein kleines Häufchen Demonstranten, das am Samstagabend in New York für eine besonnene Antwort auf den Terror plädierte. Wird Rache Frieden bringen, wird Krieg heilen oder noch mehr verletzen, mahnten die Transparente. Glauben sie, dass Vergeltung die Lösung ist? "Ich weiß nicht", sagt eine junge Frau, "aber ich bin sicher, es muss erst mehr nachgedacht werden, bevor man handelt".
Bush soll Stärke zeigen
"Ich hoffe, das alles führt nicht in einen Krieg. Krieg ist nicht die richtige Antwort. Wir müssen nachdenken, wie es dazu gekommen ist. Es gibt eine Menge Feindseligkeit in Amerika, und es gibt offensichtlich auch große Feindseligkeit bei denen, die so etwas getan haben. Vielleicht müssen wir jetzt rausfinden, warum sie uns gegenüber so feindselig sind", so eine weitere kritische Stimme.
Aber die Mehrheit der amerikanischen Bürger erwartet andere Dinge von ihrem Präsidenten. Der Druck auf Bush wächst, er soll Stärke zeigen. Und das tut er, indem er bis zu 50.000 Reservisten mobilisiert, um die Streitkräfte zu verstärken.