Interview

Interview "Wir haben das Maximum erreicht"

Stand: 27.08.2007 11:44 Uhr

Beim Thema Asylrecht ist der Belgier De Brouwer in der EU ein Mann der ersten Stunde: Er leitet die Abteilung "Asyl und Einwanderung" in der EU-Kommission. Im Interview mit tagesschau.de zieht er ein positives Fazit der jahrelangen Verhandlungen.

Der Belgier Jean-Louis de Brouwer leitet die Abteilung "Asyl und Einwanderung" in der EU-Kommission und hat die Verhandlungen mit all ihren Höhen und Tiefen fünf Jahre lang begleitet. tagesschau.de hat sprach mit ihm über die nun gefundenen Kompromisse.

tagesschau.de: Nach jahrelangen Verhandlungen hat sich die EU auf ein gemeinsames Asylrecht geeinigt. Ist Ihnen damit der große Wurf gelungen?

De Brouwer: Obwohl einige sagen, dass das Ergebnis bescheiden ausgefallen ist, haben wir in der Substanz wichtige Resultate erzielt. Das entscheidende ist, wir haben uns auf ein europäisches Niveau geeinigt und die Menschen, die diesen Schutz bedürfen, können nun überall gleich behandelt werden. Wichtig dabei ist, dass Asylbewerber in den EU-Mitgliedsstaaten jetzt viel mehr Zusatzschutz erhalten als beim Asyl im Sinne der Genfer Konvention. Wenn man bedenkt, dass zum Beispiel die Bundesrepublik niemals eine europäische Norm anerkennen wollte, haben wir viel erreicht.

tagesschau.de: Menschenrechtsorganisationen und das Flüchtlingskommissariat der UNO sehen das anders. Der Kompromiss ist auf Kosten der Flüchtlinge zustande gekommen. Ist der Vorwurf berechtigt?

De Brouwer: Das UNHCR hat mir gegenüber gesagt, dass dieser Kompromiss nicht den internationalen Standards und der Konvention zur Überwachung der Menschenrechte widerspricht. Das Problem für sie ist allerdings, dass die Mitgliedsstaaten die neuen Regelungen unterschiedlich anwenden könnten. Ein Beispiel: Deutschland hat die Vorgehensweise mit den sogenannten sicheren Drittländern immer sehr verantwortlich genutzt. Obwohl das UNHCR diese Vorgehensweise eigentlich nicht für gut heißt, hat es anerkannt, dass Deutschland diese Regelung so angewendet hat, dass niemals der Schutz des Asylsuchenden in Gefahr war. Wenn jetzt allerdings ein neues Mitgliedsland die Regelung der sogenannten Drittstaaten anwendet, kann man nicht davon ausgehen, dass es so gewissenhaft vorgeht wie Deutschland. Das kritisiert das UNHCR. Also, das Instrument ist einwandfrei, aber es besteht die Gefahr, dass es falsch angewendet werden kann. Dagegen können jetzt allerdings Asylsuchende vor Gericht ziehen.

tagesschau.de: Als sichere Drittstaaten, so die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, sind unter anderem Weißrussland und die Türkei vorgesehen. Hier gibt es immer wieder Verletzungen der Menscherechte. Dürfen Flüchtlinge dahin zurückgeschickt werden?

De Brouwer: Bisher ist noch nichts vorgesehen. Im Moment gibt es keine Listen oder ähnliches. Da werden wir mit dem UNHCR zusammenarbeiten und deren Informationen über die Länder berücksichtigen. Insgesamt ist es ein sehr sensibles Gebiet.

tagesschau.de: Großbritannien hat sich mit der Forderung durchgesetzt, dass auch einzelne Regionen der Herkunftsländer der Flüchtlinge als sicher eingestuft werden können. Lässt sich das überhaupt kontrollieren?

De Brouwer: Ja, das kann kontrolliert werden. Wir, die Kommission und der Rat, lassen diese Vorgehensweise im Prinzip zu. Ein Land kann also nicht nur als Ganzes, was seine Sicherheit betrifft, sondern auch in Regionen eingeteilt werden, so zum Beispiel Somalia.

tagesschau.de: Wann soll das neue EU-Asylrecht in Kraft treten?

De Brouwer: Es wird noch ein bis zwei Jahre dauern, bis alle Regelungen in Kraft treten können.

tagesschau.de: Sie persönlich haben mit sehr viel Engagement die Verhandlungen begleitet. Hätte mehr erreicht werden können?

De Brouwer: Im Bereich Asyl haben wird das Maximum erreicht, was wir erreichen konnten. Ich bedauere allerdings, dass wir beim Thema Zuwanderung aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter gekommen sind. Da gab es zwischen den Mitgliedsstaaten Spannungen, die nicht gut waren. Und der Zuwanderungsdruck wird bleiben, die Menschen werden weiterhin aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommen.

Das Interview führet Gabriele Feil