Der Kampf um ein neues Urheberrecht "In fünf Jahren wird alles entschieden sein"
Der Jura-Professor Lawrence Lessig ist einer der wichtigsten Protagonisten bei der Entwicklung alternativer Copyright-Modelle. Mit tagesschau.de spricht er über sein Modell der Creative-Commons-Lizenz und wagt er einen Blick in die Zukunft.
Lawrence Lessig ist studierter Jurist, Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler. Aktuell lehrt er Jura an der Universität in Stanford. Er ist weltweit einer der wichtigsten Protagonisten bei der Entwicklung alternativer Copyright-Modelle. Mit tagesschau.de spricht er über sein Modell der Creative-Commons-Lizenz und wagt er einen Blick in die Zukunft.
tagesschau.de: Obwohl bereits zahlreiche Länder die Creative-Commons-Lizenz in ihre Gesetze aufgenommen haben, ist es nicht immer einfach, die darin formulierten Rechte und Pflichten auch durchzusetzen. Kann ein solches System wirklich auf nationaler oder internationaler Basis funktionieren?
Lawrence Lessig: Die Creative-Commons-Lizenz setzt parasitär auf dem darunter liegenden Urheberrecht auf. Wenn man sie verletzt, verstößt man auch die entsprechenden Copyrightgesetze – und hat so die entsprechenden juristischen Mittel um dagegen vorzugehen: Das Copyright ist international genügend geschützt.
tagesschau.de: Wie groß ist die Gefahr, dass sich ein Künstler der Creative-Commons-Lizenz bedient und von deren Vorteilen profitiert, ab einem bestimmten Erfolgsniveau aber wieder auf seine ursprünglichen Urheberrechte besinnt?
Lessig: Das ist seine Entscheidung – mir ist das recht. Ich könnte moralische Argumente dagegen anführen, wir binden die Leute aber nicht an uns wie zum Beispiel eine Plattenfirma, die mit einem Künstler einen Vertrag über sieben CDs macht.
tagesschau.de: Zwar haben heute immer mehr Menschen Zugang zu neuen Medien und die Möglichkeit, mit ihnen kreativ zu gestalten. Die Anzahl derer, die das jedoch tatsächlich tun, ist jedoch begrenzt. Ist diese Gruppe wirklich groß genug, um im Sinne der Creative-Commons-Lizenz politisch einflussreich zu sein?
Lessig: Das ist vor allem eine Generationenfrage. Die meisten Menschen im Alter von 35, 40 Jahren konsumieren Kultur. Teenagern reicht das nicht aus: Sie wollen selbst etwas damit anstellen. Während meine Generation vielleicht noch eine Kassette mit Musikstücken zusammengestellt hat, wollen sie einen Remix eines Songs produzieren. Ich glaube natürlich nicht, dass nun aus jedem von ihnen ein wichtiger Künstler wird. Eine andere Frage ist: Kann eine solche Kreativität Einzug in die Institutionen finden? So lange sie noch als illegal gilt, kann sich keine Schule leisten, sie zu lehren und zu fördern.
tagesschau.de: Momentan liegt ja die Kontrolle über viele Inhalte zum großen Teil bei Sendern und Medienkonzernen, die auch die Vertriebswege und öffentliche Wahrnehmung steuern. Kann dieses Quasi-Monopol durch Creative-Commons-Lizenzen durchbrochen werden?
Lessig: Creative Commons betätigt sich in dem langweiligen Geschäft, Infrastrukturen aufzubauen. Ich glaube aber fest daran, dass die Systeme, die wir bieten, außerordentlich attraktiv für viele Menschen sind, die Kunst produzieren. Firmen wie Youtube und Myspace haben momentan große Probleme mit Copyright-Inhabern, weil ihre Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material auf ihren Seiten verwenden. Sie haben daher ein starkes Interesse, dass sich bei urheberechtlichen Fragen etwas ändert. Die Creative-Commons-Lizenz bietet hierfür zumindest eine Struktur. Vielleicht haben wir nicht die endgültige Lösung für diese Probleme. Viele Menschen glauben jedoch, dass wir zu ihr maßgeblich beitragen können.
tagesschau.de: Sie sagen selbst, dass das Zeitfenster für diese Änderungen sehr eng ist. Glauben Sie, dass Sie trotzdem eine Chance haben – und bis wann müssen Sie sie genutzt haben?
Lessig: Ich weiß nicht. Ich denke, dass sich in den nächsten fünf Jahren alles entscheiden wird. Wenn große Unternehmen wie Google, Youtube, NewsCorp und Myspace einen Stoß in die richtige Richtung geben, können wir es schaffen.
Das Gespräch führte Wulf Rohwedder, tagesschau.de