Interview

Interview mit dem Friedensnobelpreisträger Yunus "Die Versprechen diesmal halten"

Stand: 08.06.2007 01:54 Uhr

Für seine Idee, den Ärmsten mit Kleinstkrediten helfen, erhielt Muhammad Yunus 2006 den Friedensnobelpreis. Beim G8-Gipfel erinnerte er die Industriestaaten nun an ihre Versprechen beim Kampf gegen die Armut. Diesmal, so der Bankdirektor, sollten die Zusagen eingehalten werden. Mit tagesschau.de sprach er über die Millenniumsziele, die Rolle der Frauen und sein Monatsgehalt von 400 Euro.

tagesschau.de: Herr Yunus, was erwarten Sie vom Gipfel der G8 in Heiligendamm?

Mohammed Yunus: Dass sie ihr Versprechen erneuern, die armen Staaten bei der Erreichung der Millenniumsziele zu unterstützen - und diesmal halten.

tagesschau.de: Sind diese Ziele noch zu schaffen? Können wir die Armut bis 2015 halbieren?

Yunus: Bangladesch macht es vor, und ich bin sicher, anderswo sieht es ähnlich aus. Am Ende sind vielleicht nicht alle Länder zum selben Zeitpunkt soweit. Aber das können wir lösen, indem wir diejenigen fördern, die die Entwicklungsziele vorantreiben. Erst danach sollten wir andere Länder fördern. Das Problem ist aber nicht die Konkurrenz zwischen Entwicklungsländern. Unsere Regierungen werden abgelenkt.

tagesschau.de: Wovon denn?

Yunus: Zum Beispiel vom Krieg gegen der Terror. Gerade die USA sind so beschäftigt damit, dass sie alles andere vergessen. Das schickt dann wiederum ein falsches Signal an andere Staaten. Und so wird immer weniger für die Entwicklungsländer ausgegeben.

tagesschau.de: Sie erwähnen den amerikanischen Krieg gegen den Terror - wieviele Freunde haben Sie eigentlich in Washington?

Yunus: Ich habe dort viele persönliche Freundschaften geschlossen, denn ich trenne Menschen von der Politik ihrer Regierungen. Einzelne Menschen spielen in der Politik ja weniger eine Rolle. Meine Freunde in Washington verbindet mit mir und untereinander, dass sie an die Umsetzung der Millenniumsziele glauben. Diese Menschen brauchen politische Unterstützung, und ein G8-Gipfel wie der in Heiligendamm ist dazu ein gutes Forum.

tagesschau.de: Was halten Sie vom "Global Marshall Plan", einem weltweiten Aufbauprogramm, das sich an dem US-amerikanischen Wiederaufbau in Westeuropa nach dem 2. Weltkrieg orientiert?

Yunus: Ich kenne wenig Einzelheiten dazu. Es hört sich nach einer starken Idee an, aber mehr ist es ja noch nicht. Allerdings: Man darf die Leute nicht verwirren, indem man zu viele Entwicklungsideen gleichzeitig verfolgt.

Muhammad Yunus
Muhammad Yunus gilt als der "Vater des Mikrokredits". Die von ihm gegründete Grameen-Bank vergibt Kleinstdarlehen an Arme. Das wird inzwischen von vielen Experten als erfolgreiches Mittel der Armutsbekämpfung angesehen. 2006 wurden Yunus und seiner Bank der Friedensnobelpreis verliehen.

tagesschau.de: Wie viele Arme gibt es in Ihrem Land, und stimmt es, dass es heute - gemessen in absoluten Zahlen - mehr sind als vor 30 Jahren?

Yunus: Momentan sind es etwa 35 Prozent, und jedes Jahr werden es zwei Prozent weniger.

tagesschau.de: Ihre Bank hilft dabei, indem sie Kleinstkredite vergibt. 97 Prozent gehen an Frauen. Welche Rollen spielen Frauen bei der Reduzierung der Armut in armen Ländern wie Bangladesch?

Yunus: Frauen sind sehr wichtig dabei. Sie arbeiten härter, übernehmen mehr Verantwortung für das Schicksal ihrer Familien sowie für die anderen Frauen, mit denen sie den Kredit zusammen erhalten. Sie sind auch zuverlässiger bei der Rückzahlung der Kredite an die Grameen-Bank.

tagesschau.de: Da Frauen so wichtig sind für die Bekämpfung der Armut - spiegelt sich das auch im Direktorium Ihrer Bank wieder?

Yunus: Von den 13 Mitgliedern im Direktorium der Grameen-Bank sind momentan neun Frauen.

tagesschau.de: Stimmt es, dass Sie monatlich etwa 400 Euro verdienen?

Yunus: Das trifft zu, aber das ist auch ein gutes Gehalt in Bangladesch.

tagesschau.de: Vor ein paar Monaten haben Sie verkündet, dass Sie eine eigene Partei gründen und sich in Bangladesch zur Wahl stellen wollten. Warum haben Sie diese Pläne inzwischen begraben?

Yunus: Es stellte sich in Umfragen heraus, dass meine Erfolgsaussichten nicht so gut waren, wie ich gehofft hätte. Momentan liegen meine Prioritäten also wieder außerhalb der Politik, wo ich mehr erreichen kann.

Das Gespräch führte Christian Radler, tagesschau.de, am Rande des Konzerts "Deine Stimme gegen Armut" in Rostock.