Interview "Regierung mit eingeschränkter Souveränität"

Stand: 27.08.2007 14:43 Uhr

Die Iraker regieren ihr Land nach der Machtübergabe formell selbst. Wird ihr Leben damit sicherer? ARD-Korrespondent Jörg Armbruster meint im Gespräch mit tagesschau.de: Wenn die Regierung nicht bald die öffentliche Sicherheit erhöht, droht ihr Scheitern.

tagesschau.de: Warum ist die Machtübergabe im Irak in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vollzogen worden?

Jörg Armbruster: Aus Sicherheitsgründen. Alle hatten auf den 30. Juni gestarrt, auch die Untergrundkämpfer und Terroristen hatten sich darauf vorbereitet, dass an diesem Mittwoch die Machtübergabe stattfinden würde. Wir hatten alle mit einer Serie von Bombenanschlägen bis dahin gerechnet. Deshalb wurde die Machtübergabe kurzfristig vorgezogen, um den Untergrundkämpfern und Bombenlegern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

tagesschau.de: Wie ist die Nachricht in der Bevölkerung aufgenommen worden?

Armbruster: Sehr gelassen und ruhig. Die wenigsten Bürger rechnen damit, dass sich zunächst viel ändern wird. Der neue Ministerpräsident wird daran gemessen werden, ob er Sicherheit wieder herstellen und ob er die Arbeitslosigkeit beseitigen kann. Wenn ihm das gelingt, dann werden auch die Iraker wieder aufatmen. So lange das nicht gelingt, so lange die Bombenleger weiter unterwegs sind, wird es auch die neue irakische Regierung schwer haben, sich bei der Bevölkerung durchzusetzen.

tagesschau.de: Wie groß ist die Handlungsfreiheit der Übergangsregierung?

Armbruster: Es ist eine gefesselte, eingeschränkte Souveränität. Die multinationale Truppe, wie die Koalitionstruppen seit heute heißen, hat immer noch einen großen Handlungsspielraum und viele Möglichkeiten, selbständige Entscheidungen zu treffen. Sie müssen nicht die irakische Regierung um Erlaubnis fragen, wenn sie Militäraktionen wie unlängst in Falludscha planen. Die irakische Regierung muss zwar konsultiert werden, aber wenn sie diese Aktion nicht möchte, kann sich der jeweilige amerikanische Befehlshaber darüber hinwegsetzen. Er kann unabhängig von der irakischen Regierung entscheiden. Die Regierung darf auch die Verfassung des Landes vorerst nicht ändern. Das allerdings ist gewiss eine sinnvolle Regelung, denn es ist eine gute Verfassung. Die neue Regierung ist zunächst also mehr eine Art Verwalter bis zu den Wahlen, die für den Januar kommenden Jahres angestrebt werden, möglicherweise aber auch noch später stattfinden werden. Es ist keine Regierung, die Politik im großen Stil gestalten kann.

tagesschau.de: Schwächt die Machtübergabe die Terroristen, ist mit weniger Attentaten zu rechnen?

Armbruster: Das ist derzeit schwer einzuschätzen. Man wird sicher mit weiteren Aktionen von Abu Mussab al Sarkawi rechnen müssen, dessen Fesnahme heute irrtümlich gemeldet wurde. Wenn diese Gruppe ausgeschaltet würde, wäre das für das Land gewiss ein großer Fortschritt. Ministerpräsident Ijad Allawi scheint einen Doppelkurs zu verfolgen. Er hat all jenen, die im Dunstkreis der Untergrundkämpfer als Mitläufer gearbeitet und sich keines kriminellen Vergehens schuldig gemacht haben, die Amnestie angeboten. Der harte Kern dagegen soll sogar durch Notstandsgesetze verfolgt werden. Wir können noch nicht beurteilen, ob diese Strategie aufgehen wird.

Das Gespräch führte Eckart Aretz, tagesschau.de