Neuer Anlauf für Rahmenbeschluss EU sucht gemeinsamen Weg gegen Rassismus
Die 27 EU-Staaten unternehmen heute einen neuen Anlauf zu einem Rahmenbeschluss gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Den Justizministern liegt ein Entwurf vor, der Aufrufe zu Hass und Gewalt in der gesamten Union unter Strafe stellen soll.
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries will die Europäische Union erstmals auf gemeinsame Mindeststandards im Kampf gegen Rassismus und Fremdenhass verpflichten. Für einen entsprechenden Rahmenbeschluss will Zypries bei einem Treffen in Luxemburg ihre Kollegen aus den EU-Staaten gewinnen. Damit könnten Holocaust-Leugner unter bestimmten Voraussetzungen auch in Staaten wie Großbritannien oder Dänemark zu Haftstrafen von maximal drei Jahren verurteilt werden. In den vergangenen sechs Jahren waren in der EU zwei ähnliche Gesetzesanläufe gescheitert.
Planungen seit 2001
Nach zahlreichen fremdenfeindlichen Übergriffen in Deutschland und anderen EU-Staaten hatte die EU-Kommission 2001 einen gemeinsamen Beschluss über Verbote und Mindeststrafen für Fremdenfeindlichkeit auf den Weg gebracht. Doch wegen der höchst unterschiedlichen Traditionen der einzelnen Länder zu den Grenzen der Meinungsfreiheit hat es bis jetzt gedauert, um einen Minimalkompromiss zu finden.
Viele Ausnahmeregelungen
Der Entwurf sieht zwar das Verbot vor, öffentlich zu Völkermord oder neonazistischen Verbrechen aufzurufen. Allerdings sind zahlreiche Ausnahmen vorgesehen. Danach könnte beispielsweise auch der Holocaust geleugnet werden, solange dies nicht mit dem Aufruf zu Gewalt oder Hass verbunden wird.
Nicht einigen konnten sich die EU-Staaten auf ein Verbot von Nazi-Symbolen wie Hakenkreuzen. Allerdings kann jeder EU-Staat schärfere Gesetze beschließen und Deutschland etwa bei seinem Hakenkreuz-Verbot bleiben. Entscheidungen zu Justizfragen können in der EU nur einstimmig fallen. "Wir werden es nicht hinbekommen, dass ein Mitglied des britischen Königshauses mit drei Jahren Gefängnis bestraft wird, weil er verkleidet auf einer Party erscheint", sagte ein hochrangiger EU-Diplomat. Prinz Harry hatte einst mit einer Nazi-Verkleidung auf einer Party für Empörung gesorgt.
Religiöse Hassausbrüche bleiben straffrei
Auf britischen Wunsch werde der EU-Beschluss Ausnahmen für rein religiös motivierte Aufstachelung und Gewaltaufrufe enthalten, sagten mehrere Diplomaten. Die von Großbritannien durchgesetzte Ausnahme für rein religiöse Hass- oder Gewaltaufrufe führt nach Angaben eines Experten dazu, dass künftig EU-weit bestraft werde, wenn jemand rufe: "Tötet alle Deutschen." Straffrei könne dagegen bleiben: "Tötet alle Christen". Allerdings wollten 26 der 27 EU-Staaten von dieser Ausnahme keinen Gebrauch machen.
Keine Folgen für deutsche Gesetze
Trotz der zahlreichen Ausnahmen sehen die EU-Staaten in dem Beschluss einen Fortschritt. Dies sei das erste Mal, dass sich die EU auf gemeinsame Standards verständige, sagte ein Unterhändler. Für Deutschland mit seinem besonders strengen Strafrecht werde der EU-Beschluss zwar keine konkreten Folgen haben. Allerdings könnten Neonazis künftig auch nicht mehr aus Nachbarländern in Deutschland zu Rassenhass aufrufen.
Verharmlosung des Stalinismus ausgeklammert
Die baltischen Staaten hatten versucht, auch eine Verharmlosung von stalinistischen Verbrechen unter Strafe zu stellen. Dies wird voraussichtlich aber nicht gelingen. Ein Diplomat sagte, die Leiden unter dem Stalinismus sollten zwar gewürdigt, nicht aber in diese Strafregelung einbezogen werden. Weitere Themen des Ministerrats sind das Scheidungs- und Unterhaltsrecht sowie die Rechte von Beschuldigten in Strafverfahren.