EU-Grundrechte-Agentur nimmt Arbeit auf Behörde soll über die Menschenrechte wachen
Berichte erstellen und mahnen - das sind die Aufgaben der neuen EU-Grundrechte-Agentur. Vetorechte hat die Behörde keine. Dabei soll sie über die Achtung der Menschenrechte und EU-Regelungen wachen. Allerdings: Bürger können sich nicht an die neue Behörde wenden - Menschenrechtsorganisationen sehen die Agentur daher eher kritisch.
Von Jörg Paas, ARD-Hörfunkstudio Wien
Festlicher Rahmen für die Eröffnung einer neuen EU-Behörde: Ein Ensemble der Wiener Philharmoniker spielt die Europahymne. Die bisher schon in Wien angesiedelte "Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" wird nun aufgewertet zur EU-Grundrechte-Agentur.
Österreichs Außenministerin Ursula Plassnik beschreibt die Aufgaben: "Mit dieser Agentur schaffen wir innerhalb der Europäischen Union ein innovatives Kompetenzzentrum für Menschenrechte, und wir schließen vor allem eine ganz konkrete Lücke in der europäischen Menschenrechtsarchitektur. Die Arbeit dieser Agentur wird sein, als Sensor - mit Augen und Ohren sozusagen - für Menschenrechte im Arbeitsalltag der Europäischen Union zu agieren und sicherzustellen, dass die Menschenrechte schon in der Entstehung - und auch dann in der Umsetzung von EU-Recht - eingearbeitet werden."
Behörde mit beratender Funktion
Die neue Behörde soll andere Institutionen der Europäischen Union also bei ihrer Menschenrechtspolitik beraten, etwa wenn es um die Ausarbeitung oder Umsetzung neuer Richtlinien geht. Im Zentrum steht dabei der Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus. Der einzelne EU-Bürger kann sich hingegen nicht an die Grundrechte-Agentur wenden. Er bleibt auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angewiesen.
Die Lage der Grundrechte in den einzelnen Mitgliedsstaaten hat die Agentur ebenfalls nicht zu interessieren. Und auch die Polizei- und Justiz-Zusammenarbeit der EU-Staaten, die großenteils zwischenstaatlich organisiert ist, bleibt für die Behöre tabu. Kritiker wie die Menschenrechts-Organisation amnesty international bezweifeln deshalb, dass die Grundrechte-Agentur den Bürgern wirklich einen zusätzlichen Nutzen bei der Wahrung ihrer Rechte bringt und sprechen von einem "zahnlosen Tiger".
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, die in Wien als Vertreterin der deutschen EU-Präsidentschaft auftrat, ist anderer Meinung: "Das werden wir mal sehen, ob er wirklich so zahnlos ist. Institutionen sind ja immer so gut wie das, was diejenigen daraus machen. Wenn sie sich engagieren, wenn sie gutes Material liefern, wenn sie sich damit unentbehrlich machen, dann sind sie keineswegs zahnlos."
Garant für noch mehr Kompetenzgerangel in der EU?
Bis zur endgültigen Entscheidung der EU-Innen- und Justizminister über die neue Agentur am 15. Februar war die Diskussion über die Behörde gleich von mehreren Kontroversen geprägt. Kritiker befürchteten auch, dass die Kompetenzen der Grundrechte-Agentur sich mit denen des Europarates oder des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte überschneiden würden.
Bedenken, denen Justizministerin Zypries in Wien entgegentrat: "Nein, es gibt keine Konkurrenz zwischen diesen Institutionen. Das sind unterschiedliche Bereiche, die abgedeckt werden. Die Agentur berät, informiert, sammelt Material. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet Einzelfälle. Er hat keinerlei Kompetenz hinsichtlich der Mitgliedsstaaten zur Beratung - so wie die Agentur."
Das Budget der neuen Grundrechte-Agentur soll im ersten Jahr rund 14 Millionen Euro umfassen und bis 2012 auf 22 Millionen Euro wachsen. Der Personalstand wird von derzeit 37 auf einhundert Mitarbeiter aufgestockt. Geleitet wird die Behörde bis auf weiteres von der Deutschen Beate Winkler, die bisher auch schon an der Spitze der "Beobachtungsstelle gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" stand.