Hintergrund

Hintergrund Der Zypern-Konflikt - das ungelöste Problem der EU

Stand: 07.12.2006 14:35 Uhr

Die Zukunft der Beitrittsgespräche zwischen der Türkei und der EU hängt unter anderem von der erfolgreichen Lösung der Zypern-Frage ab. Seit 1974 ist die Insel faktisch geteilt - doch die Wurzeln des Konflikts reichen deutlich weiter zurück.

Die Teilung Zyperns in einen griechischen und einen türkischen Teil stellt eines der ungelösten Probleme der EU dar. Die Zukunft der Beitrittsgespräche zwischen der Türkei und der EU hängt unter anderem von einer erfolgreichen Lösung ab. De facto existieren die beiden Teile Zyperns seit 1983. Um den Streit zu verstehen, muss man aber wesentlich weiter zurück in der Geschichte gehen.

Große Bedeutung wegen strategisch wichtiger Lage

Aufgrund seiner strategisch wichtigen Lage im Mittelmeer war Zypern während seiner gesamten Geschichte für die Großmächte im Vorderen Orient interessant. Mit dem Bau des Suezkanals endeckten auch die europäischen Kolonialmächte die Bedeutung der Insel. Der Beschluss des Berliner Kongresses 1878 berechtigte Großbritannien, Zypern zu annektieren, 1925 wurde die Insel britische Kronkolonie. Schon kurz darauf formierten sich zwei Unabhängigkeitbewegungen, die unterschiedliche Ziele verfolgten: Die "Enosis"-Bewegung der griechischen Volksgruppe - der etwa 80 Prozent der Zyprer angehören - machte sich für einen Anschluss an Griechenland stark. Die türkische Minderheit drängte ebenfalls auf eine Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Großbritannien, setzte aber auf eine Zweiteilung der Insel.

Kämpfe können erst von UN-Truppe beendet werden

1959 schlossen Großbritannien, die Türkei und Griechenland - nicht zuletzt auf Druck der USA - untereinander Verträge ab, mit denen die Republik Zypern in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Alle drei Staaten behielten sich aber ein Interventionsrecht vor und durfen auf der Insel Militärstützpunkte errichten. Der Konflikt zwischen den Volksgruppen war mit der Unabhängigkeit aber nicht beigelegt. Er eskalierte Mitte der 1960er Jahre, nachdem Staatspräsident Makarios versucht hatte, eine neue Verfassung einzuführen, mit der die Position der türkischen Minderheit geschwächt werden sollte. Es kam zu blutigen Kämpfen, die erst durch eine Friedenstruppe der Uno beendet werden konnten. Dies gelangt allerdings nur durch die faktische Teilung der Insel und ihrer Hauptstadt Nikosia durch die "Green Line".

Nordteil nur von der Türkei anerkannt

1974 putschte das griechische Militärregime - das einen innenpolitischen Erfolg vorweisen wollte - den zyprischen Staatspräsidenten Makarios von der Macht. Ziel des Putsches war ein Anschluss Zyperns an Griechenland. Daraufhin marschierte die türkische Armee ein und besetze rund ein Drittel der Staatsfläche im Norden der Insel. 1983 wurde im Nordteil ein unabhängiger Staat unter der Bezeichnung Türkische Republik Nordzypern ausgerufen, der international allerdings nur von der Türkei anerkannt wird.

"Green Line" in Zypern die letzte Mauer Europas

Völkerrechtlich gesehen gibt es also nur ein Zypern, die Realität sieht allerdings anders aus: Beide Teile der Insel entwickelten sich höchst unterschiedlich. So lagt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf im Jahr 2003 im Norden nur bei etwa einem Drittel des Wertes, der im Süden erreicht wurde. Die Grenze zwischen beiden Landesteilen galt als letzte Mauer Europas. Erst im Frühjahr 2003 wurde sie für Zyprer geöffnet.

Wiedervereinigung scheitert an griechischen Wählern

Der letzte Versuch zur Wiedervereinigung der beiden Inselhälften wurde im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt Zyperns unternommen. Die Bevölkerung in beiden Teilen wurde dazu aufgerufen, über einen von UN-Generalsekretär Kofi Annan entwickelten Plan abzustimmen. Er sah eine Wiedervereinigung in Form einer Föderation nach Schweizer Vorbild mit zwei gleichberechtigten Landesteilen vor. Im türkischen Nordteil der Insel wurde der Plan mit einer deutlichen Mehrheit angenommen.

Die Wähler im griechischen Süden folgten jedoch einer Aufforderung von Staatspräsident Tassos Papadopoulos, der den griechischen Teil benachteiligt sah: 76 Prozent von ihnen lehnten den Annan-Plan ab, der Versuch einer Wiedervereinigung war somit gescheitert. Beim EU-Beitritt führte das zu einer kuriosen Situation: Theoretisch ist die gesamte Insel Mitglied der EU, faktisch gilt das aber nur für den Südteil.