Erste Frau im Präsidentenamt Ein historischer Moment für Mexiko
Erstmals in der Geschichte Mexikos übernimmt heute eine Frau das Präsidentenamt: Die 62-jährige Claudia Sheinbaum tritt ein schweres Erbe an. Über 100.000 Vermisste, Gewalt und Korruption - die Liste der Probleme ist lang.
Es ist ein historischer Moment: Ab heute wird Mexiko von einer Frau regiert. Der linkspopulistische Präsident Andrés Manuel López Obrador von der Morenapartei räumt den Chefsessel für seine Parteikollegin und Ziehtochter Claudia Sheinbaum.
Ihr Vorgänger hinterlässt ihr zwar ein Land, das ein bisschen gerechter geworden ist - López Obrador hat Sozialprogramme vorangebracht, unter anderem eine Grundrente für Ältere. Und der Mindestlohn stieg unter ihm auf umgerechnet etwa 11 Euro pro Tag an. Das haben viele Menschen in Mexiko goutiert - nicht umsonst tritt er mit etwa 80 Prozent Zustimmung ab.
Organisiertes Verbrechen mit Politik verstrickt
Jedoch hinterlässt er Sheinbaum ein durchaus schweres Erbe - rund 115.000 Verschwundene, fast die Hälfte kamen in seiner sechsjährigen Regierungszeit hinzu, die immer größere Verstrickung des organisierten Verbrechens mit der Politik in vielen Bundesstaaten und ein Haushaltsdefizit von sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts sind nur einige der Probleme, die die neue Präsidentin erwarten.
Zudem werde Sheinbaum einem immer mächtigeren Militär gegenüberstehen, erklärt der mexikanische Politologe vom Colegio de México, Sergio Aguayo. Das Militär werde immer mehr auch in zivilen Bereichen eingesetzt - etwa beim Flughafenbau oder dem Infrastrukturprojekt Maya-Zug.
"Es wird eine der großen Herausforderungen für die neue Präsidentin sein, ihre Präferenz für eine zivile Führung mit der Präsenz eines sehr mächtigen Militärs zu vereinen. Das Militär wird zweifelsohne eine große Rolle in der neuen Administration spielen", sagt Aguayo.
López Obrador hatte das Militär immer weiter gestärkt, jetzt soll sogar das zivile Organ, die Nationalgarde, dem Verteidigungsministerium unterstellt werden.
"Korruption der Streitkräfte ist breiter geworden"
Falko Ernst, Mexiko-Experte der International Crisis Group sieht vor allem in der mangelnden Transparenz und den korrupten Strukturen, der fehlenden Kontrolle des Militärs ein großes Problem.
Es gebe jetzt mehr Truppen, die in den Straßen und Dörfern Mexikos präsent seien. "Und dadurch bietet sich auch eine größere Angriffsfläche für Korruption, für Überschneidungen mit kriminellen Gruppen, solange man das Problem der tiefsitzenden, korrupten Kultur innerhalb dieser Institutionen nicht löst. Laut unseren Quellen, inklusive auch von kriminellen Gruppen, ist die Korruption seitens der Streitkräfte breiter geworden und tiefer geworden", sagt Ernst.
Eskalierende Gewalt der Drogenkartelle
Das Thema Sicherheit ist sicherlich eines der drängendsten Themen, worum sich die Mexikaner sorgen. Wie sie etwa mit der eskalierenden Gewalt im Bundesstaat Sinaloa umgehen will - dazu hat sich Sheinbaum bislang eher bedeckt gehalten.
In Sinaloa tobt ein Kampf um den Führungsanspruch im Sinaloa-Kartell, bei dem mittlerweile mehr als 100 Menschen getötet wurden und weitere hundert vermisst werden. Der Unterricht und die Feiertage in der Bundeshauptstadt Culiacán mussten ausgesetzt werden.
Direkt nach ihrer Amtseinführung wird sie den krisengebeutelten Urlaubsort Acapulco im südlichen Bundesstaat Guerrero besuchen. Fast genau ein Jahr, nachdem Wirbelsturm "Otis" dort für Verwüstung gesorgt hatte, hat nun tagelanger Starkregen, ausgelöst durch den Hurrikan "John", Überschwemmungen und Zerstörung verursacht. Mindestens 22 Menschen kamen dabei ums Leben.
Klimafreundlicher als ihr Vorgänger?
Mit dem Klimawandel nehmen auch die Wirbelstürme zu. Bleibt die Frage, inwiefern Claudia Sheinbaum, selbst promovierte Physikerin und Energieingenieurin, nun eigene Akzente für eine klimafreundliche Politik setzt, sich von López Obrador abgrenzt, der auf das hochverschuldete staatliche Ölunternehmen Pemex setzte und privaten, vor allem ausländischen Firmen, die in erneuerbare Energien investieren wollten, Steine in den Weg legte.
"In den Erklärungen, die sie zu diesem Thema abgegeben hat, erwähnte sie schon, dass sie Pemex weiter stärken wird, aber gleichzeitig denkt sie als Doktorin der Elektrotechnik eben auch über ein Programm zur Energiewende nach, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren", erklärt die Politologin Amalia Salgado.
Sie habe zwar noch keinen Masterplan vorgelegt, "aber es gibt einige Anzeichen, die darauf hindeuten, dass wir uns auf diesen Weg begeben werden", fügt sie hinzu.
Immer wieder betonte Sheinbaum, dass sie die Politik von López Obrador fortführen werde, der sie auf dem Weg nach oben protegiert hat. "Kontinuität mit eigener Handschrift" wie sie es selbst beschreibt. In ihren ersten 100 Tagen wird sich abzeichnen, ob sie sich freischwimmen kann.