Probleme der NATO Türkische Alleingänge
Beim Treffen der NATO-Außenminister in Brüssel geht der Blick in Richtung Türkei. Kein anderes Mitgliedsland grenzt an so viele in Konflikte verwickelte Staaten. Doch mit seinen Alleingängen macht Ankara immer wieder Probleme.
Im Süden hat die Türkei eine mehr als 800 Kilometer lange Grenze zum Bürgerkriegsland Syrien. Vor gut einer Woche schoss die türkische Luftwaffe an dieser Grenze einen russischen Kampfjet ab - ein Zwischenfall mit Ansage. Denn bereits im Oktober hatten russische Kampfjets den türkischen Luftraum verletzt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan war daraufhin nach Brüssel geeilt, um sich Rückendeckung durch die NATO zu holen.
Kampf in Syrien nicht nur gegen den IS
"Ein Angriff auf die Türkei ist ein Angriff auf die NATO. Das muss jeder wissen“, sagte Erdogan Anfang Oktober. Auch nach dem Abschuss steht die NATO hinter der Türkei, das hatte Generalsekretär Jens Stoltenberg erst am Montag versichert und gleichzeitig Russland dafür kritisiert, in Syrien nicht nur die Terrormiliz "Islamischer Staat" zu bekämpfen, sondern auch "andere Ziele anzugreifen", so der NATO-Generalsekretär.
Er meint damit die russischen Angriffe gegen Kämpfer der gemäßigten Freien Syrischen Armee, die von der NATO unterstützt wird. Eine ähnliche Kritik hätte Stoltenberg auch an die Türkei richten können. Denn auch die türkische Armee greift in Syrien nicht nur IS-Ziele an, sondern auch die syrischen Kurden. Die türkische Luftwaffe hat bereits Angriffe gegen Stellungen der syrischen Kurden geflogen, während andere NATO-Länder eben jene syrischen-kurdischen Kämpfer mit Waffen versorgen.
Pufferzone als Schutz vor Kurden?
Die Türkei aber lässt sich nur schwer in eine einheitliche NATO-Strategie für Syrien eingliedern. Seit mehr als einem Jahr fordert der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu immer wieder: "Vor allem muss eine Flugverbotszone und eine Sicherheitszone im Norden Syriens eingerichtet werden. Das ist auch für die humanitäre Hilfe und für die Versorgung der Flüchtlinge wichtig."
Gut möglich, dass Außenminister Cavusoglu diesen Vorschlag auch heute wieder auf die Tagesordnung heben will. Vordergründig geht es der Türkei darum, dass eine Pufferzone geschaffen wird zwischen dem Kriegsgebiet und dem eigenen Staatsgebiet. Zudem will die Türkei in dieser Pufferzone auf syrischem Boden Flüchtlinge unterbringen.
Andere NATO-Partner aber hegen den Verdacht, dass die Türkei mit ihrem Vorschlag zu einer Schutzzone im Norden Syriens vor allem ein anderes Ziel verfolgt, nämlich: die syrischen Kurden schwächen, am besten mit NATO-Hilfe. Denn das Gebiet, das die Türkei für diese Schutzzone auserkoren hat, beanspruchen auch die syrischen Kurden. Aber die Türkei will verhindern, dass an ihrer Südgrenze ein machtvolles, autonomes kurdisches Gebiet entsteht.
Eigenes Raketenprojekt geplant
Die Türkei schert immer wieder aus der NATO-Linie aus. So hatte sie ihre Bündnispartner irritiert, als sie vor drei Jahren ein neues Raketenabwehrsystem in China bestellte. Drei Milliarden Euro wollte die Türkei investieren.
Aber vor gut zwei Wochen gab das Büro von Ministerpräsident Davutoglu Entwarnung: Der Deal mit China sei nun endgültig vom Tisch. Allerdings nicht, weil die Türkei nun ein System von einem NATO-Bündnispartner kaufen will. Nein, aus dem Ministerpräsidenten-Büro hieß es, die Türkei plane ein eigenes, nationales Raketenprojekt. Ein Schritt der zu dem alten, türkischen Sprichwort passt: Der einzige Freund des Türken ist der Türke.