Europawahl in Österreich Im Schatten von Ibiza
Überschattet von einer schweren Regierungskrise wählen 6,4 Millionen Wahlberechtigte in Österreich ihre 18 Abgeordneten für das Europaparlament. Wie wird sich der Ibiza-Skandal auswirken?
Die liberalen Neos warben auf Plakaten für die Vereinigten Staaten von Europa, die Sozialdemokraten in Österreich für ein soziales Europa statt eines der Konzerne, die Konservativen stellten ihre Bewerber ins Schaufenster. Nur die FPÖ musste ihre Wahlplakate mit einem "Jetzt erst recht" überkleben. Denn die Koalition mit den Konservativen ist geplatzt.
Der umstrittene frühere Innenminister Herbert Kickl gab Kanzler Sebastian Kurz daran die Schuld. "Bundeskanzler Kurz hat diese Regierung ohne jede Not in die Luft gesprengt", kritisierte er.
Kickl und seine freiheitlichen Ministerkollegen mussten gehen, weil ein auf Ibiza aufgenommenes Video veröffentlicht wurde. Es zeigte den späteren Vizekanzler der FPÖ, Heinz-Christian Strache, wie er - 2017 noch in der Opposition - einer vermeintlichen Oligarchennichte Staatsaufträge gegen Geld anbot.
Die FPÖ strickt aus der Ibiza-Affäre eine Opfer-Geschichte. Der konservative Kanzler Kurz schiebt seinem früheren Koalitionspartner den Schwarzen Peter zu. Und die Opposition wittert Morgenluft. Denn die FPÖ-Minister wurden durch Verwalter ersetzt und es wurden Neuwahlen anberaumt. Am Montag muss sich Kurz einem Misstrauensvotum stellen. Ob es auch von FPÖ und Sozialdemokraten unterstützt wird, ist noch offen.
Auch SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner griff den Kanzler an. "Seine Entscheidungen lassen vor allem zwei Dinge vermissen: Dialogbereitschaft und Respekt", sagte sie.
Die Opposition fühlt sich beim Austausch der FPÖ-Minister durch Kurz-Vertraute übergangen. Umfragen zufolge will eine Mehrheit der Österreicher, dass Kurz bis zu den Neuwahlen im September im Amt bleibt. Welchen Einfluss hat aber die Ibiza-Affäre auf den Ausgang der Europawahl? "Sie hat europaweit große Aufmerksamkeit erregt. Sicherlich nützt es den mit der Freiheitlichen Partei verbundenen Rechtspopulisten nicht", sagte der Politologe Anton Pelinka im ORF.
Wer steckt hinter dem Video?
In einer Blitzumfrage nach der Affäre verlor die FPÖ fünf Prozentpunkte. Ständig drohen neue Enthüllungen. Am Wochenende berichtete das Nachrichtenmagazin "Profil" von fünf Vereinen, über die Parteispenden an die FPÖ geflossen sein sollen.
Das hatte Strache im Video vorgeschlagen. Die Frage, die alle in Österreich derzeit bewegt, ist: Wer steckt hinter dem Video? Presseberichten zufolge hat der Wiener Anwalt, der in die Video-Affäre verstrickt ist, sowohl Konservativen, als auch SPÖ und Liberalen schon zwei Jahre vor dem Video-Dreh auf Ibiza - also 2015 - kompromittierende Informationen über den früheren FPÖ-Chef Strache angeboten. Bei all dem Ungemach - wo machen die freiheitlichen Wähler nun ihr Kreuz?
"Politisch rechts eingestellte Menschen und Menschen, die kritisch gegenüber der EU sind, hätten bei der ÖVP eine Anlaufstelle", sagt Katrin Prapotnik von der Donau-Uni Krems im ORF.
Das Kalkül von Kanzler Kurz, die FPÖ-Wähler selber einzusammeln, könnte aufgehen. In der Nach-Ibiza-Umfrage gewann er die Punkte, die sein früherer Koalitionspartner FPÖ in der Wählergunst verlor. Die Europawahl ist ein erster Testlauf für die vorgezogenen Neuwahlen im September.