EVP entscheidet über Fidesz Jetzt wird es ernst für Orban
Trotz des angespannten Verhältnisses zu Ungarns Ministerpräsident mochte die Parteienfamilie EVP Orban bislang nicht ausschließen. Das könnte sich aber schon heute ändern.
Leicht war der Umgang mit Viktor Orban nie. Weder für andere Regierungschefs, noch für seine Freunde in der Europäischen Volkspartei, die er zuletzt als "nützliche Idioten" titulierte. Mit der jüngsten Kampagne seiner nationalkonservativen Fidesz gegen die EU-Institutionen und deren Repräsentanten, allerdings scheint der Ungar den Bogen überspannt zu haben.
Die Warnung des sonst so verbindlichen EVP-Fraktionsführers und Spitzenkandidaten Manfred Weber ist kaum misszuverstehen: Für den CSU-Mann aus Niederbayern ist das Maß inzwischen voll. Orban und seine Fidesz müssten mit "harten Konsequenzen" rechnen, wenn sie ihren Kurs nicht korrigierten und sich entschuldigten. Die Forderungen lägen "klar auf dem Tisch."
Vor allem dieses Plakat führte europaweit zu Empörung, auch wegen der antisemitischen Untertöne.
Maß für Weber ist voll
Lange Zeit hatte Weber mit Rücksicht auf den Parteifrieden beide Augen zugedrückt und Orban in Schutz genommen. Zuletzt hatte er seine Haltung jedoch geändert und als einziger CSU-Vertreter sogar für ein Artikel-7-Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip gestimmt.
Statt einzulenken klebte die Fidesz im Februar ein Wahlplakat, auf dem ein feixender Kommissionschef Jean-Claude Juncker abgebildet ist - nebst Orbans Lieblingsfeind, dem US-Investor George Soros. Die Collage suggeriert, Juncker und Soros förderten illegale Migration fördern und wollten Ungarn mit Flüchtlingen fluten.
Streit um "inakzeptables" Poster
Für Juncker, selbst EVP-Mitglied, ist die Grenze des Zumutbaren überschritten. Nicht zuletzt, weil das unappetitliche Poster von antisemitischen Stereotypen nur so strotzt. Auch Kanzlerin Angela Merkel und die Chefs von CDU und CSU, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, nannten die Aktion "inakzeptabel".
In der EVP haben 13 Mitgliedsverbände aus insgesamt zehn Ländern beantragt, die Fidesz aus der konservativen Parteienfamilie auszuschließen. Zu den Unterstützern gehören unter anderem die belgischen Christdemokraten, die schwedischen Moderaten und die Nea Demokratia aus Griechenland.
Wie entscheiden CDU und CSU?
Webers CSU und die Schwester CDU, die im EVP-Vorstand über das größte Stimmenpaket verfügen, haben sich im Vorfeld des heutigen Showdowns nicht eindeutig positioniert.
Daniel Caspary etwa, Sprecher der deutschen Unionsgruppe, mahnt mit Blick auf die Europawahl zur Vorsicht. Wenn man die Fidesz hinauswerfe, kappe man Gesprächsfäden. "Wenn das alle anderen Parteien mit ihren schwarzen Schafen machen, dann droht uns eine Spaltung in der Europäischen Union."
Die Plakat verwendete die Fidesz im Wahlkampf 2018.
Halbherziges Entgegenkommen Orbans
Dass gut zureden noch helfen könnte, den Provokateur aus Ungarn auf Linie zu bringen, glauben aber nicht mehr viele in der EVP. Nach einem Krisentreffen mit Weber in Budapest rang sich Orban zwar eine halbherzige Entschuldigung ab und signalisierte Entgegenkommen in der Frage von Soros‘ umstrittener Privat-Uni CEU - doch vollständig eingestellt hat die Fidesz ihre Anti-EU-Tiraden bis jetzt nicht.
EVP-Insider nennen die Lage ernst, rechnen aber trotzdem nicht damit, dass man die ungarischen Nationalisten hinauswirft. Wahrscheinlicher ist, dass man der Orban-Partei eine allerletzte Verwarnung verpasst. Das Szenario: eine Suspendierung der Mitgliedschaft auf unbestimmte Zeit. Deren Aufhebung könnte man an Bedingungen knüpfen, vor allem den dauerhaften Verzicht auf das leidige Brüssel-Bashing. Denkbar auch: die Einsetzung einer Untersuchungskommission.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schlug am Morgen ein Einfrieren vor. "Solange Fidesz das Vertrauen nicht vollständig wiederherstellt, kann es nicht bei einer normalen Vollmitgliedschaft bleiben", sagte sie Reuters.
Weber in der Zwickmühle
Für Weber, der im Herbst Juncker im Amt beerben will, ist die Entscheidung heikel: Hält er Orban und seine Fidesz an Bord, droht ihm im bevorstehenden Wahlkampf eine offene Flanke. Sucht er die Konfrontation und zieht einen Schlussstrich, fehlen ihm am Ende womöglich kostbare Stimmen - auf jeden Fall die des ungarischen Regierungschefs.