Geplante Änderung des Wahlrechts Schwere Ausschreitungen in Neukaledonien
Im französischen Überseegebiet Neukaledonien kommt es seit Tagen zu Unruhen. Separatisten ziehen wegen einer geplanten Wahlrechtsreform auf die Straßen. Sie fürchten die zunehmende Einflussnahme Frankreichs. Zwei Menschen sind bislang gestorben.
Seit mehreren Tagen kommt es im französischen Überseegebiet Neukaledonien im Südpazifik zu schweren Protesten und gewaltsamen Ausschreitungen. Hintergrund ist eine von der französischen Regierung geplante Änderung des Wahlrechts - künftig sollen auch französisch-stämmige Bewohner, die länger als zehn Jahre im Überseegebiet leben, wählen können.
Die Unruhen auf der Inselgruppe dauern seit drei Tagen an. Mindestens zwei Menschen sollen bei den gewaltsamen Zusammenstößen ums Leben gekommen sein, wie mehrere französische Medien unter Berufung auf den Hochkommissar Neukaledoniens, Louis Le Franc, berichten. Demnach sei eines der Opfer durch eine Kugel getötet worden, die aber nicht vonseiten der Polizei abgefeuert worden sei. Zum zweiten Todesopfer gebe es bisher keine weiteren Informationen.
Mehrere Hundert Verletzte
Seit Ausbruch der Unruhen seien bereits mehrere Hundert Menschen verletzt worden, teilte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin mit. "Gewalt in einer Demokratie darf es nicht geben. Es muss absolute Ruhe einkehren", forderte der Minister. Er sprach von Angriffen auf Polizeiwachen mit Äxten und schwerer Munition.
Allein in der vergangenen Nacht wurden bei Ausschreitungen mindestens 60 Einsatzkräfte der Polizei verletzt, wie der öffentliche Sender 1ère Nouvelle-Calédonie berichtete. 130 Menschen seien festgenommen worden. Auch in der vorangegangenen Nacht wurden laut Darmanin mehr als 50 Sicherheitskräfte verletzt und mehr als 80 an den Ausschreitungen Beteiligte festgenommen.
Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, wurden in der Hauptstadt Nouméa mindestens zwei Autohäuser und eine Flaschenfabrik in Brand gesteckt. Über der Stadt liege beißender Brandgeruch und teils dichter Rauch. Der Luftüberwachungsverband Scal'Air warnte angesichts der starken Rauchentwicklung vor einer zunehmenden Luftverschmutzung. In einigen Stadtteilen wurde wegen gefährlicher Feinstaubwerte die höchste Alarmstufe ausgerufen
Forderungen nach Ausnahmezustand
Mehrere französische Abgeordnete forderten die Ausrufung des Ausnahmezustands. Bereits seit Montag gilt in Nukaledonien eine nächtliche Ausgangssperre, zudem haben örtliche Behörden öffentliche Versammlungen untersagt. Schulen sind auf der Inselgruppe vorerst geschlossen, öffentliche Dienstleister haben den Betrieb eingestellt. Auch der Hauptflughafen La Tontouta ist von den Schließungen betroffen.
Auch die Regierung der Inselgruppe rief zu "Vernunft und Ruhe" auf und appellierte an die Bevölkerung, "Verantwortungsbewusstsein zu zeigen". Frankreichs Präsident Emmanuel Macron berief eine Sitzung des Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat ein, die noch im Laufe des Tages stattfinden soll.
Französisch-stämmige Bevölkerung soll Wahlrecht erhalten
Hintergrund der massiven Unruhen ist ein von der französischen Regierung in Paris angestrebte Verfassungsreform in Neukaledonien. Durch die sollen etwa 25.000 französisch-stämmige Wählerinnen und Wähler, die seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen in Neukaledonien gelebt haben, das Wahlrecht bei Provinzwahlen erhalten. Bislang dürfen Inselbewohner, die in den vergangenen 25 Jahren vom französischen Festland oder aus anderen Ländern gekommen sind, nicht an diesen Wahlen teilnehmen.
Nach dem französischen Senat stimmte in der vergangenen Nacht auch die Nationalversammlung in Paris der geplanten Reform zu. Jetzt müsse noch der Congrès du Parlement zustimmen, der für besondere Anlässe im Schloss Versailles einberufen wird, berichtete der Sender France24. Ein Datum stehe aber noch nicht fest.
Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung fürchten Einfluss aus Frankreich
Die Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung in Neukaledonien fürchten, dass mit dem Wahlrecht dem französisch-stämmigen Teil der Bevölkerung ein größerer Einfluss zukommen könnte. Vor allem die Bevölkerungsgruppe der Kanaken - die melanesischen Ureinwohner Neukaledoniens - hofft schon lange auf einen eigenen Staat. Zwar hatten die Bewohnerinnen und Bewohner der Inselgruppe in drei Volksabstimmungen - 2018, 2020 und 2021- dafür gestimmt, weiter Frankreich anzugehören, doch das letzte Votum wird aber von den Separatisten nicht anerkannt. Seit 1998 ist das Überseegebiet durch das sogenannte Nouméa-Abkommen weitgehend autonom.
Neukaledonien liegt rund 17.000 Kilometer von Frankreich und etwa 1.500 Kilometer von Australien entfernt, ist für Paris aber vor allem geopolitisch, militärisch und wegen der dortigen Nickelvorkommen von Bedeutung.