Berliner Wohnungsmarkt Steuern sparen beim Gentrifizieren
Eine Gesellschaft kauft mit Geld von Prominenten Tausende Wohnungen in Berlin, saniert sie und erhöht die Mieten. Wer sich die nicht leisten kann, muss gehen. Gewinne fließen steueroptimiert auf die Insel Jersey.
"Kreuzberger Nächte sind lang", sangen die "Gebrüder Blattschuss" 1978 und setzten den wilden Eckkneipen in Kreuzberg und Neukölln ein musikalisches Denkmal. Viele der Gaststätten gibt es heute nicht mehr. Sie sind hippen Bars gewichen, die Craft-Beer anbieten oder Burger mit Blauschimmelkäse.
Lang sind heutzutage vor allem die Schlangen bei Wohnungsbesichtigungen. In keiner anderen deutschen Großstadt steigen die Preise für Wohnraum momentan schneller. Ein Albtraum für Mieter mit geringen Einkommen, ein Paradies für Investoren. In ganz Berlin kaufen ausländische Investoren zurzeit alles, was Rendite verspricht.
Ex-Banker gründeten Immobiliengesellschaft
Einer dieser Investoren ist die Immobiliengesellschaft Phoenix Spree. 2006 gründeten drei ehemalige Banker aus London eine Beraterfirma: PMM Partners, nach den Anfangsbuchstaben ihrer Vornamen: Paul, Michael und Matthew.
PMM Partners begann, Geld von Investoren einzusammeln, um in Deutschland Häuser zu kaufen. Sie gründeten die Immobiliengesellschaft Phoenix Spree Deutschland. Um genau zu sein, gründeten sie sogar zwei, getrennt voneinander. Eine hieß "Phoenix Spree Deutschland" kurz PSD, die andere "Phoenix Spree Property Fund", kurz PSPF. Im Jahr 2015 fusionierten die beiden und hießen fortan nur noch PSD. Die Verwaltung zahlreicher Briefkastenfirmen, die für die beiden Gesellschaften benutzt werden, übernahm die Offshore-Kanzlei Appleby.
Sportler und Promis investieren in PSD
Auf der Suche nach Investoren wurden die Ex-Banker bei ehemaligen Sportlern und Promis fündig. Eine britische Schauspielerin, ein ehemaliger Tennis-Profi, ein früherer Rennfahrer und auch ein Fußball-Profi investierten Geld. Das belegen die Unterlagen der "Paradise Papers". Die Versprechen klangen gut: "Phoenix Spree Deutschland strebt von 2012 bis 2015 jährlich im Schnitt zweistellige Wachstumsraten an. Ein Schlüsselfaktor sind dabei die Mietpreissteigerungen durch weitere Investitionen in Modernisierungen", schrieb die Gesellschaft ein einem Investorenbrief.
Für Berlin sind die Investoren, die nicht selbst bauen, ein Problem. Sie schaffen keinen neuen Wohnraum, sondern verteuern und verknappen den vorhandenen. Phoenix Spree ist so ein Investor. "Erwerben - Renovieren - Optimieren - Monetarisieren" lautet das Motto. Im Jahr 2012 renovierte Phoenix Spree zehn Häuser und erhöhte die Miete danach im Schnitt um 67 Prozent. 2014 musste ein Kindergarten in einem Berliner Phoenix-Spree-Haus ausziehen, weil er die Miete nicht mehr zahlen konnte.
Im Geschäftsjahr 2016 besaß Phoenix Spree deutschlandweit 2785 Wohnungen und 237 Gewerbeeinheiten. Die Einkünfte aus Mieten summieren sich auf knapp 16 Millionen Euro, allein 11,6 Millionen davon setzt das Unternehmen in Berlin um.
Steuern sparen mit Share Deals
Damit am Ende möglichst viel für die Investoren übrig bleibt, bediente sich Phoenix Spree unter anderem eines Tricks, der Millionen sparte: Im Jahr 2013 übernahm PSD die bis dahin separat laufende PSPF. Es war die Fusionierung der beiden Gesellschaften. Dabei wäre eigentlich Grunderwerbsteuer fällig geworden, denn wer ein Haus oder ein Grundstück kauft, muss dafür einen Teil des Kaufpreises an den Fiskus zahlen. Das gilt für kleine Häuslebauer und große Immobilienfonds gleichermaßen.
Allerdings nutzte PSD eine Lücke im deutschen Recht aus. Statt die Häuser direkt zu erwerben, kaufte PSD die Gesellschaften, denen die Häuser gehörten. Und die auch nicht komplett, denn dann wäre die Steuer ebenfalls fällig: Man kaufte nur rund 95 Prozent, genau der Grenzwert, ab dem die Steuer nicht fällig wird. Die übrigen fünf Prozent kauften einer der PMM-Banker und ein zweiter Mann, den man als Stroh-Aktionär bezeichnen könnte. PSD stattete beide mit Krediten aus und ließ sich ein Vorkaufsrecht auf deren Anteil zusichern. Wirtschaftlich hatte die Gesellschaft damit die Kontrolle über 100 Prozent der Holding-Struktur. Auf dem Papier jedoch nicht - was rund 4,4 Millionen Euro weniger in der Staatskasse ausmacht.
"Share Deal" werden diese Geschäfte genannt, zu Deutsch Anteilsgeschäft. Allein in Berlin werden durch solche Tricksereien pro Jahr mehr als 100 Millionen Euro an Grunderwerbsteuer vermieden, schätzt der Finanzsenat.
PSD erklärte auf Anfrage: "Nach Abgabe entsprechender Steuererklärungen in Deutschland hat es keine Untersuchungen der Finanzbehörden im Hinblick auf diese Transaktion gegeben." Der ehemalige Wirtschaftsberater Christoph Trautvetter hat sich die Unterlagen für den NDR angesehen. "PSD schafft es, fast alle Steuern zu vermeiden, und das Ziel ist, in einer vorgegebenen Zeit möglichst viel Rendite zu verdienen und dabei eben die Kosten aus Steuern möglichst zu minimieren", sagt der Experte. Dieses Verhalten kenne er in Berlin von ein paar wenigen weiteren Akteuren im Immobiliensektor, die sehr aggressiv alle Lücken und Schlupflöcher ausnutzten.
Gewinn in Jersey verbucht
Denn auch im laufenden Betrieb weiß PSD seine Firmenstruktur zu optimieren. Hier kommt wieder das Baumwurzelprinzip zur Anwendung. Am unteren Ende sind die Firmen, die in Deutschland Einnahmen durch die Mieten erzielen. Diese Einnahmen werden in Deutschland besteuert. Allerdings nur, solange dort Gewinne anfallen. Daher belastet PSD diese Gesellschaften bewusst sehr stark - mit Krediten für die Häuser und Renovierungen und mit hohen Managementgebühren, die PMM Partners zugutekommen. Im Jahr 2016 stehen operativen Mieteinnahmen von gut 16 Millionen Euro Verwaltungs- und Managementgebühren von knapp zwölf Millionen Euro gegenüber.
PMM sichert sich beispielsweise vertraglich eine "Performance Fee" bei Wertsteigerung zu, eine Vermittlungsgebühr bei neuen Mietern, sogar eine Provision für Renovierungskosten der Häuser. Bei den Holding-Gesellschaften bleiben dadurch kaum Gewinne, also fallen auch kaum Steuern an. Der auf Jersey verbuchte Vorsteuergewinn lag 2016 dennoch bei fast 50 Millionen Euro - auch, weil dort ein anderes Buchhaltungsverfahren verwendet wurden als in Deutschland. Hierzulande zahlte Phoenix Spree dadurch 24.000 Euro Körperschaftssteuer.
Das Firmenkonstrukt von PSD ist komplex.
PSD erklärte auf Anfrage, man unterliege "strengen Anforderungen im Hinblick auf die Offenlegung und Transparenz ihrer Finanzen. Unser Unternehmen hält sich selbstverständlich an sämtliche Vorgaben des Miet-, Eigentums- und Steuerrechts." Die Firmenstruktur mit "einer Reihe von Tochterunternehmen und Objektgesellschaften" entspreche dem, was im Markt üblich sei.
Aggressiv - aber nicht ungewöhnlich für den Immobilienmarkt, vor allem in Berlin. Ein Brancheninsider, der mit dem NDR gesprochen hat und anonym bleiben möchte, sagt: "Für internationale Investoren gilt Berlin noch als günstig und das Mietniveau als moderat. Die schauen auf Städte wie London, Paris oder New York und denken: In Deutschland ist noch viel Luft nach oben."