Firmenkonstrukt für Privatjet Hamilton umgeht Steuern in Millionenhöhe
Zahlreiche Besitzer von Privatjets nutzen die Isle of Man, um ihre Flieger steuerfrei in die EU einzuführen. Der Schaden könnte Hunderte Millionen Euro betragen. Zu den Profiteuren gehört Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton.
Lewis Hamilton ist nicht dafür bekannt, ein Leisetreter zu sein. Der viermalige Formel-1-Weltmeister mag es grell, trägt Diamantenohrstecker, große Uhren, Goldketten. Eines seiner liebsten Spielzeuge ist seine Bombardier Challenger 605,: ein knallrot lackierter Luxus-Jet, von dem Hamilton regelmäßig Fotos auf seinen Social-Media-Kanälen veröffentlicht. Mal sieht man ihn lässig an den Stufen zum Flugzeug stehen, mal hockt er sogar auf dem Dach.
Lewis Hamilton zeigt die Liebe zu seinem Jet auf seinem Instagram-Account.
Die "Paradise Papers" werfen ein neues Licht auf das Privatflugzeug - und darauf, wie es in die EU importiert worden ist. Am 21. Januar 2013, früh am Morgen, landete Hamilton in seinem Jet auf dem Flughafen Ronaldsway auf der Isle of Man, einer kleinen Insel in der Irischen See. So legen es die Unterlagen nahe. Mit an Bord war demnach seine damalige Freundin, die Sängerin Nicole Scherzinger.
Das Flugzeug hatte Hamilton kurz zuvor gekauft, unter anderem, um seine Fernbeziehung zu retten, wie er in einem Interview sagte. Dafür war er bereit, viel Geld auszugeben: Mehr als 20 Millionen Euro kostete der Jet laut interner Unterlagen. Bei der Steuer wollte Hamilton hingegen offenbar sparen. Deshalb landete er an jenem Januarmorgen auf der Isle of Man: Denn hier kann man mit einem Trick Millionen beim Import von Flugzeugen sparen.
Eine Fluggesellschaft nur für Hamilton
Bevor Güter in der Europäischen Union frei zirkulieren können, muss die sogenannte Einfuhrumsatzsteuer - eine Mehrwertsteuer - gezahlt werden. Das gilt für den Computer aus Asien ebenso wie für Privatjets aus Kanada. Die Steuer liegt, je nach Land, bei rund 20 Prozent. Bei Hamiltons Jet wären das rund vier Millionen Euro gewesen. Unter bestimmten Umständen allerdings kann die Steuer zurückerstattet werden. Hier setzt der Trick an.
Damit er funktioniert, musste Hamiltons Flugzeug von einem Privatjet in einen Geschäftsflieger verwandelt werden. Das Flugzeug ist dann eine Betriebsausgabe und kann steuerfrei importiert werden. Dafür engagierte der Formel-1-Star die Kanzlei Appleby. Deren Ableger auf der Isle of Man hat sich auf den steuerfreien Flugzeugimport spezialisiert. Vereinfacht gesagt besteht der Trick darin, dass Appleby dem Kunden speziell für sein neues Flugzeug eine eigene Fluggesellschaft gründet - mit nur einem Kunden, nämlich dem Besitzer des Jets.
Dafür sind gleich mehrere Briefkastenfirmen nötig. Appleby gründete für Hamilton zunächst eine Gesellschaft mit dem Namen "Stealth (IOM) Ltd.", IOM steht für Isle of Man. Die wiederum mietet das Flugzeug von einer weiteren Briefkastengesellschaft, die ebenfalls Hamilton gehört und formal als Besitzerin des Flugzeugs fungiert. Für diese Miete zahlt die "Stealth" eine Gebühr, sie hat also Ausgaben. Im nächsten Schritt verleiht die "Stealth" das Flugzeug weiter, ebenfalls gegen Gebühr. Nun hat sie auch Einnahmen. Am Ende der Kette mietet Lewis Hamilton dann sein Flugzeug von seinen eigenen Firmen.
Auf dem Papier entsteht so eine lebendige Geschäftsbeziehung. Die "Stealth" erscheint als echte Fluggesellschaft mit regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben. Schaut man indes auf die Geldflüsse, so erkennt man, dass Hamilton sich sein eigenes Geld im Grunde von der rechten in die linke Tasche steckt.
Urlaub mit dem Firmenjet
Für die Behörden der Isle of Man reichte diese Konstruktion aus, um dem Flieger von Hamilton die Steuerfreiheit zu bestätigen. Der britische Rennfahrer zahlt einige Zehntausend Euro für die Verwaltung seiner Firmen und den Papierkram, sparte aber rund vier Millionen Euro Einfuhrumsatzsteuer.
Das funktioniert, weil die Isle of Man eine Sonderrolle einnimmt: Sie ist nicht Mitglied der EU, aber durch Verträge mit Großbritannien gehört sie zur Zollunion. Waren, die auf der Isle of Man als importiert gelten, gelten in der gesamten EU als importiert. Appleby und die Unternehmensberatung Ernst & Young haben aus diesem Umstand mit Unterstützung der örtlichen Behörden ein lohnendes Geschäft aufgebaut.
Verdacht der Steuerhinterziehung
Reporter des "Guardian" haben den Fall gemeinsam mit NDR, WDR und "SZ" recherchiert und mit Steuerexperten darüber gesprochen. Ihrer Ansicht nach macht sich Hamilton möglicherweise der Steuerhinterziehung strafbar. Neben dem Import hätte er auch die Mietgebühren versteuern müssen, die er zahlt, damit es in seinen Firmen nach einem echten Geschäftsbetrieb aussieht.
Hamilton wurde vor wenigen Tagen zum vierten Mal Formel-1-Weltmeister.
"Wenn es eine private Nutzung gab, ist das Steuerhinterziehung. Lewis Hamilton hätte für jeden privaten Flug Steuern zahlen müssen. Dafür könnte man ihn persönlich haftbar machen", sagt Rita de la Feria, Steuerrechtsprofessorin an der Universität Leeds im Gespräch mit dem "Guardian". Sie hält Hamiltons Konstrukt für "künstlich" und fragwürdig. Hamiltons Anwälte erklärten auf Anfrage, Leasing-Konstruktionen seien eine "gängige Praxis in der Flugzeugindustrie". Es handle sich nicht um Briefkastenfirmen und das Vorgehen sei von Steuerexperten geprüft und für gesetzeskonform befunden worden. Hamilton sei zudem steueransässig in Monaco und komme allen seinen steuerlichen Verpflichtungen nach. "Beratung wurde eingeholt bei Ernst und Young auf der IOM in Bezug auf die Strukturen, die für das Flugzeug genutzt wurden (…). Sie waren nicht rechtswidrig und sind weder Steuerhinterziehung noch missbräuchliche Praktiken."
900 Millionen Euro Steuerausfälle in Europa
Lewis Hamilton ist nicht der einzige Kunde von Appleby, der auf diese Art Steuern vermieden hat. Die "Paradise Papers" belegen, dass Appleby und Ernst & Young das Geschäft mit den Flugzeugimporten im großen Stile betrieben haben. In den Unterlagen tauchen mehr als 50 solcher Konstruktionen auf. Doch nicht nur Appleby hat das Modell genutzt. Auf mehrfache Nachfrage teilte die Regierung der Isle of Man mit, dass seit 2011 mehr als 230 "aircraft leasing companies", also Firmen vergleichbar mit Hamiltons' "Stealth", die Mehrwertsteuer zurückerstattet bekommen hätten. Insgesamt geht es bei dem Geschäft um Steuererstattungen von rund 900 Millionen Euro, die anderen Staaten entgangen sein könnten. In 33 Fällen habe man Firmen bislang zu Korrekturen im Zusammenhang mit der Einfuhrumsatzsteuer aufgefordert, so die Regierung. Dabei seien insgesamt rund sechs Millionen Euro nachgefordert worden.
Nachdem Reporter die Regierung der Isle of Man im Zusammenhang mit den "Paradise Papers" mit den Vorwürfen konfrontiert hatten, berief der Regierungschef eine Pressekonferenz ein. In der erklärt er, die Insel sei "ein gut reguliertes Land mit einer stolzen Reputation für seinen Weltklasse-Service". Man folge internationale Standards in Sachen Steuern und Transparenz, habe sich nichts vorzuwerfen. Eine externe Kommission des britischen Finanzministeriums solle die Vorwürfe nun dennoch überprüfen.