"Partygate"-Affäre Der Vorwurf lautet "Lüge"
Einen Rücktritt hat der britische Premier Johnson bisher abgelehnt. Doch nun wird ein Ausschuss die Affäre um illegale Feiern während des Corona-Lockdowns untersuchen. Es geht um die Wahrheit.
Der Sprecher des Unterhauses, Lindsay Hoyle, hatte die Abgeordneten gleich zu Beginn der Sitzung ermahnt, sich nicht im Ton zu vergreifen. Daran hielten sich auch die meisten. Labour-Chef Keir Starmer erläuterte zunächst, warum ein Ausschuss die "Partygate"-Äußerungen von Boris Johnson untersuchen sollte: "Es geht um Ehrlichkeit, Integrität und darum, im Unterhaus die Wahrheit zu sagen. Das ist ein bedeutendes Prinzip, dem wir alle zustimmen. Aber es ist ein Prinzip, das attackiert wird."
"Wenn das stimmt ..."
Labour und andere Oppositionsparteien werfen Johnson vor, das Unterhaus wiederholt belogen zu haben: "Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Denn, wenn er stimmt, kommt das der Missachtung des Parlaments gleich", so Starmer.
Caroline Lucas von den Grünen bezichtigte Johnson, das Fundament der Demokratie zu untergraben, und wiederholt war der Vorwurf zu hören, dass Johnson mit seinem Verhalten das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik zerstöre.
Der Fraktionschef der schottischen SNP, Ian Blackford, nannte Johnson einen Lügner und benutzte damit ein Wort, das im Unterhaus eigentlich nicht erlaubt ist: "Im Mittelpunkt des Skandals gibt es eine Sache, die gesagt werden muss: Der Premierminister des Vereinigten Königreichs ist ein Lügner."
Versehen oder bewusste Täuschung?
Johnson hatte zu Beginn der Partygate-Affäre mehrere Male versichert, dass es zu Lockdown-Zeiten keine Partys und Regelverstöße in 10 Downing Street gegeben habe. Dass das nicht stimmt, ist inzwischen erwiesen. Die Frage ist nun, ob Johnson aus Versehen etwas Falsches behauptet oder das Parlament bewusst getäuscht hat?
Zahlreiche konservative Abgeordnete nahmen Johnson in Schutz. Im Unterhaus habe er zwar die Unwahrheit gesagt, aber nicht absichtlich. In das Treffen, für das er bestraft wurde, sei er eher zufällig geraten und habe sich dafür zigfach entschuldigt. Außerdem hätten auch andere Parteivorsitzende an irgendeinem Punkt gegen Corona-Regeln verstoßen.
"Die Show ist vorbei"
Anders der Konservative Steve Baker. Er baute regelrecht einen Spannungsbogen auf. Er dankte dem Premier sichtlich bewegt für den Brexit, für den Johnson einen Eintrag in die Geschichtsbücher verdient habe. Dann sprach Baker in religiöser Anlehnung über Vergebung und Gnade, um schließlich deutlich zu machen, dass er im Fall von Johnson nicht mehr vergeben könne. Es tue ihm leid, aber der Premierminister habe gegen das Wort und den Geist des Wortes verstoßen, sagte Baker im Hinblick auf die Corona-Vorschriften.
Dann fuhr er fort: "Der Premier hätte schon vor langer Zeit gehen sollen. Er sollte wissen: Die Show ist vorbei."
Johnson will weitermachen
Ob das tatsächlich stimmt, bleibt abzuwarten. Der Ausschuss wird einige Zeit benötigen, zumal auch noch der Ermittlungsbericht der Polizei abgewartet werden soll, die zwölf fragliche Partys untersucht.
Johnson selbst teilte mit, dass er nicht zurücktreten, sondern die Tories in die nächste Wahl führen will.