Mauer in Belfast steht noch immer "Peace Lines" sollen den Frieden sichern
Durch Belfast läuft eine Mauer aus Ziegeln, Stahl und Stacheldraht. Stück für Stück wurde sie dort errichtet, wo Katholiken und Protestanten sich bekämpften - nicht, um Menschen einzusperren, sondern um Leben zu retten. Elf Jahre nach den Friedensgesprächen erfüllt sie weiter ihren Zweck.
Von Barbara Wesel, RBB-Hörfunkkorrespondentin London
Die Mauer in Belfast läuft durch die Falls und die Shankill Road und trennt das Katholiken-Viertel am Short Strand von den umliegenden Wohngebieten der Protestanten. Das Ungetüm im Herzen von Belfast besteht aus Ziegelstein und Stacheldrahtzaun, aus Beton und aufgesetzen Gittern und ist bis zu sieben Meter hoch. Es wurde nicht ordentlich auf einen Streich durch die Stadt gezogen. Es wurde stückchenweise zusammengestoppelt, immer dort, wo Katholiken und Protestanten sich mit Steinen bewarfen, mit Flaschen und Brandsätzen. Wo sie sich in Massenprügeleien an die Gurgel gingen oder aufeinander schossen. "Peace Lines", zu Deutsch "Friedenslinien" heißen deshalb diese Mauersegmente. Sie sollten Frieden schaffen zwischen Stadtvierteln, die vierzig Jahre lang nicht in Ruhe nebeneinander leben konnten.
Arbeiten an den "Peace Lines" in Belfast
Ein bisschen wie die Mauer in Berlin - und doch anders
An vielen Stellen sind die Mauern mit Graffiti bemalt, manchmal mit ganzen Wandgemälden bedeckt. Das Memorial für Bobby Sands zeigt die ausgemergelte Gestalt der IRA-Ikone beim Hungerstreik im Gefängnis. Daneben steht "Save Palestine" als Solidaritäts-Bekundung für die Palästinenser. Das sind schließlich auch Freiheitskämpfer.
Allerdings unterscheidet sich die Belfaster Mauer entscheidend von der in Berlin: Sie hat Durchgänge für Fußgänger und Tore für den Verkehr, die tagsüber geöffnet sind. Und: Sie umzingelt nicht ganze Stadtviertel, sondern dient als Trennlinie zwischen gegnerischen Wohnblocks.
Die Vergangenheit überschattet den Frieden
Aber gilt Nordirland nicht als das Beispiel eines gelungenen Friedensprozesses? Hat nicht das Karfreitagsabkommen vor elf Jahren die erbitterten konfessionellen Feinde in einer Koalitionsregierung zur Zusammenarbeit gezwungen? Im Prinzip ja. Aber Umfragen zeigen, dass die ältere Generation zwar kampfesmüde ist, die jüngere aber wieder bereit, alte Wunden aufzureißen.
"Ich denke, wir sind immer noch mit der Vergangenheit beschäftigt. Es wird noch lange dauern, bis das alles ganz vorbei ist", sagt der frühere Nordirland-Korrespondent der BBC, Dennis Kayle. Und nennt damit auch den Grund, weshalb ein Jahrzehnt nach dem offiziellen Friedensschluss die Mauer in Belfast weiter steht. Es gab schon ein paar ein paar Mal Vorschläge, mit ihrem Abriss zu beginnen. Dann aber wurde schnell wieder klar, dass hier, wo fast jede Familie Tote und Verletzte aus den Jahren der Unruhen beklagt, die Vergangenheit immer noch mächtiger ist als die Zukunftshoffnung.
Die "Peace Lines" ziehen sich quer durch Belfast
Die Friedenslinien sind zur Touristenattraktion geworden
Vor allem sind die "Peace Lines" mittlerweile zu einer regelrechten Touristenattraktion geworden. Wo sich früher die Taxis der katholischen oder protestantischen Seite nicht auf das Gebiet der jeweils anderen trauten, floriert heute das Geschäft mit Besichtigungstouren für Besucher aus aller Welt.
Mit der Forderung "Denkt darüber nach, was ihr hier gemacht habt", hat sich ein Jürgen aus Deutschland an einer der Mauern verewigt. Dem kommen die Nordiren auch durchaus nach. Aber Wut und Hass sitzen immer noch tief. Die Mauern in Belfast werden noch eine Weile gebraucht.