Massendemonstrationen in Polen "Sie zerstören unsere Demokratie"
In Polen haben Zehntausende Menschen gegen die Regierung der konservativen Partei PiS protestiert. Sie sehen die Demokratie in Gefahr - auch weil die PiS ihre Macht nutzen will, um ihr genehme Verfassungsrichter einzusetzen.
"Hier ist Polen", skandiert die Menge. Zehntausende aufgebrachte Bürger protestieren gegen die Regierung und damit auch gegen die Partei von Jaroslaw Kaczynski. Die Demokratie sei in Gefahr, ist auf vielen Transparenten zu lesen. Jetzt gelte es, sie zu verteidigen. Das Verfassungstribunal müsse unabhängig blieben, rufen die Demonstranten immer wieder .
Streit um Verfassungsrichter als Anlass
Gemeint ist damit der Streit um die Richterbesetzung im polnischen Verfassungstribunal und die Missachtung der Regierung, entsprechende Urteile umzusetzen. Die Regierungsgegner sehen darin einen dreisten Versuch des Vorsitzenden der Partei "Recht und Gerechtigkeit", auf diese Weise die Grundrechte im Land schrittweise auszuhebeln.
Ein Versuch, der nicht gelingen dürfe und auch nicht gelingen werde, sagt Oppositionspolitiker Ryszard Petru: "Wir werden uns nicht einreden lassen, dass über dem Gesetz angeblich der Wille des Volkes steht. Die Polen wählen das Parlament und den Präsidenten." Doch es könne nicht sein, dass jemandem die Verfassung im Weg stehe und deswegen das Verfassungsgericht gestürzt werden solle, kritisiert Petru. "Sie zerstören unsere junge Demokratie. Das werden wir nicht erlauben!"
Überparteiliche Bürgerbewegung rief zur Demo auf
Organisiert hat die Demonstrationen das erst vor Kurzem gegründete Komitee zur Verteidigung der Demokratie, kurz KOD - eine Bürgerbewegung, die sich als überparteilich betrachtet. Der Regierung von Kaczynskis Gnaden - so das Motto von KOD - müsse gezeigt werden, dass hier nicht eine politische Gruppierung, sondern die Bürger Polens aufbegehrten.
"Wir wollen Freiheit", fordert eine Demonstrantin. "Wir sind entrüstet darüber, was jetzt in Polen passiert. Das ist Rechtlosigkeit!" Ein 40-Jähriger sagt, er habe "1989 nicht dafür gekämpft, dass uns heute irgendjemand die Freiheit nimmt. Jeder normale Mensch, der an die Demokratie glaubt, muss heute mit uns sein."
Eine andere Demonstrantin zeigt sich überrascht, dass so viele Menschen gekommen sind. Das sei die Stimme der Bürger. "Wir zeigen, dass wir gegen die Regierung sind, dass sie uns nicht gefällt. Ich könnte vor Glück springen, dass so viele Menschen gekommen sind. Das ist gut."
Lautstarker Protest gegen Kaczynskis Pläne
Ob in Warschau, Lublin, Posen, Stettin oder Breslau - überall herrschte dasselbe Bild: Regierungskritische Demonstranten mit weiß-roten Fahnen Polens und den blauen Europas in ihren Händen brachten ihren Unmut zum Ausdruck. Menschen, die friedlich aber lautstark demonstrierten, dass sie nicht gewillt sind, die Errungenschaften der vergangenen 26 Jahre zu Gunsten eines Mannes zu opfern, der Polen ihrer Ansicht nach in eine Diktatur verwandeln möchte.
"Wir müssen etwas machen, um die Grundlagen der Demokratie zu retten", bringt es ein Demonstrant auf den Punkt. "Wir müssen den dritten wichtigen Pfeiler der Demokratie, das unabhängige Gerichtswesen retten. Was machen sie bloß, um Gottes Willen, was machen sie bloß?"