Scharfe Kritik an neuem Mediengesetz EU will über Lage in Polen beraten
Nach dem Streit über die Reform des Verfassungsgerichts in Polen droht die EU-Kommission dem Land nun wegen des neuen Mediengesetzes mit Konsequenzen. Mitte Januar will die Kommission über die rechtsstaatliche Lage in Polen beraten. Dies ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren.
Wegen des umstrittenen Mediengesetzes gerät Polen zunehmend international unter Druck. Die EU-Kommission plant für Mitte Januar eine Debatte über die Lage des Rechtsstaats in Polen. Das erklärte ein Kommissionssprecher in Brüssel.
Zuvor hatte der auch für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger gesagt, es spreche "viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen". Dafür wolle er sich bei der nächsten Sitzung der EU-Kommission am 13. Januar einsetzen, so Oettinger in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Debatte der EU-Kommission am 13. Januar ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren, das der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten dient.
Regierung besetzt Medienposten
Das polnische Parlament hatte zum Jahreswechsel im Eilverfahren ein Mediengesetz verabschiedet, das die konservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kaczynski durchgesetzt hatte. Damit werden die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt oder abberufen. Eine zuvor verabschiedete Reform des Verfassungsgerichts erschwert derweil die Arbeit der Verfassungshüter.
Der Rechtsstaatsmechanismus der EU wurde erst 2014 eingeführt. Er sieht einen verstärkten Dialog mit einem Mitgliedsland vor, wenn die EU-Kommission Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit befürchtet. Wenn das Mitglied nicht auf Änderungswünsche der Kommission reagiert, droht ein Verfahren wegen des Verstoßes gegen europäische Grundwerte. Am Ende könnte der Entzug von Stimmrechten stehen.
Rücktrittswelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Am Samstag hatten die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP ihren Rücktritt eingereicht. Sie wollten damit offenbar ihrer Entlassung zuvorkommen, die sie durch das neue Mediengesetz befürchten. Internationale Journalisten- und Medienorganisationen hatten das Gesetz scharf kritisiert.
Außenminister weist Kritik zurück
Polens Außenminister verwahrte sich gegen die Kritik der EU-Kommission. "Wir wollen lediglich unseren Staat von einigen Krankheiten heilen, damit er wieder genesen kann", sagte Witold Waszcykowski der "Bild"-Zeitung.
Bei den Medien sei unter der Vorgängerregierung ein bestimmtes linkes Politikkonzept verfolgt worden. "Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen - zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energie setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen." Das habe mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun, so Waszcykowski.
Die EU-Kommission hat als "Hüterin der EU-Verträge" folgende Möglichkeiten, gegen Mitgliedsstaaten wegen Rechtsbrüchen vorzugehen:
Verfahren wegen Verletzung des EU-Vertrags: Dies ist der gängige Weg, wenn die Kommission der Ansicht ist, dass EU-Recht nicht eingehalten wird. Gegen das Land wird ein dreistufiges Verfahren auf den Weg gebracht, das in letzter Konsequenz in einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) münden kann.
Verfahren wegen Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit: Bei dem mehrstufigen Verfahren handelt es sich um eine Art Frühwarnmechanismus, der es der Kommission ermöglicht, gemeinsam mit dem betreffenden Land Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit zu beseitigen.
Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags: Scheitert der Frühwarnmechanismus, drohen dem entsprechenden Mitgliedstaat weitreichende Folgen: Bei "schwerwiegender und anhaltender Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte kann als letzte Möglichkeit das Stimmrecht des Landes bei Ministerräten und EU-Gipfeln entzogen werden. Weil diese Sanktion so hart ist, kam sie bislang nicht zum Einsatz.
Quelle: dpa