Jacinda Ardern Die Frau für den richtigen Ton
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat nach dem Anschlag von Christchurch oft den richtigen Ton getroffen: Betroffen, nahbar, manchmal charmant. So will die 38-Jährige gegen den Hass kämpfen.
Jacinda Ardern hat momentan einen der härtesten Jobs der Welt: Die Premierministerin Neuseelands führt ihr Land mit 38 Jahren durch seine finsterste Zeit - und ist dabei nahbar und doch stark. "Das ist einer der dunkelsten Tage Neuseelands." Es war kurz nach den Anschlägen, als Ardern die passenden Worte fand, die lange nachhallen werden.
Viele der Betroffenen sind Einwanderer, sie sind vielleicht Flüchtlinge, sie wollten Neuseeland zu ihrer Heimat machen und es ist ihre Heimat. Sie sind wir. Und die Person, die diese Gewalt gegen uns angewandt hat, ist es nicht.
Als sie ohne großen Presserummel nach Christchurch flog und zu einem Flüchtlingszentrum ging, den Kopf mit einem schwarzen Schal bedeckt - das habe ihnen viel bedeutet, sagen Muslime. Die per Smartphone aufgenommenen Bilder aus dem Flüchtlingszentrum zeigen eine Frau, die still und betroffen da sitzt, die leidet und Mitleid zeigt, die zuhört und versucht, Trost zu spenden. Die Menschen umarmt und ihnen Worte sagt, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.
Die richtige Person in dunklen Zeiten
Im Parlament in Wellington grüßte sie demonstrativ mit der arabischen Grußformel "Friede sei mit euch". Sie will versöhnen und die Einheit beschwören, keine Teilung der Gesellschaft zulassen, wie es der Attentäter wollte. Ardern ist womöglich genau die richtige Person in diesen dunklen Zeiten. Sie hat die Gabe, Menschen einzubeziehen, auf sie zuzugehen und trotzdem oder eben genau so zu erreichen, was ihr wichtig ist.
So schafft sie es auch mit ihrer Koalition: Ihren Vize-Premier Winston Peters - Chef der populistischen Partei New Zealand First - und seinen Nationalismus bindet sie charmant ein, ohne ihn vorzuführen. Er war bisher immer gegen eine Verschärfung der Waffengesetze, aber bei der gemeinsamen Pressekonferenz gibt sie die Frage nach der Kursänderung an ihn weiter und er nutzt die Gelegenheit zu gut gewählten Worten. "Am Freitag, den 15. März um ein Uhr nachmittags hat sich unsere Welt verändert, und unsere Gesetze werden es auch." Dem Eindruck, dass die Waffenbesitzer jetzt als die Bösen dargestellt werden, will sie direkt vorbeugen und holt sie mit ins Boot.
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern macht vieles anders als andere Politiker. Dazu gehört auch ihr Umgang mit ihrem Nachwuchs.
"Jacindamanie" in Neuseeland
Ardern hatte 2017 gerade einmal vier Monate vor den Wahlen in Neuseeland die Führung der Labour-Partei übernommen - die zurückliegende Truppe hat sie mit Schwung und Esprit motiviert und zum Sieg geführt. Seit Herbst 2017 steht sie als Premier einer Koalitionsregierung vor, und will Neuseeland modernisieren.
Sie selbst ist deutlichstes Beispiel dafür: Die sichtbarste Premierministerin überhaupt ist jederzeit auf Instagram zu finden, als eifrige Nutzerin der neuen Medien hat sie mit ihrer offenen Art im Land und darüber hinaus eine wahre "Jacindamanie" ausgelöst. Vor allem, als sie im Wahlkampf während eines Fernsehinterviews klarstellte, dass es im Jahr 2017 total unakzeptabel sei, eine Frau im Vorstellungsgespräch nach ihrer Familienplanung zu fragen.
Wickeln bei der UN-Vollversammlung
2018 bekam sie - unverheiratet - mit ihrem Partner eine Tochter, gab ihr irische und Maori-Namen. Nach sechs Wochen Mutterschutz ging sie wieder den Amtsgeschäften nach, während der Vater des Kindes, TV-Moderator Clarke Gayford, die Elternpflichten übernahm. Zu dritt fuhren sie zur UN-Vollversammlung, wo die kleine Neve Te Aroha an die hohe Diplomatie herangeführt und auf dem Konferenztisch gewickelt wurde. "Ich wünschte, ich hätte die Gesichter der japanischen Delegation festhalten können, als sie in den Konferenzraum kamen - mitten beim Windelwechsel. Super Story für ihren 21. Geburtstag" - twitterte Gayford.
Nun wird noch eine neue Seite von Jacinda Ardern offenbar. Nicht nur Mutter und Landesmutter, sondern auch Mutter Courage. Sie findet die richtigen Worte und Gesten. "Im Namen aller Neuseeländer, wir trauern zusammen, wir sind eins. Sie sind wir", schreibt die Premierministerin in das offizielle Kondolenzbuch. Aber sie will es nicht bei Gesten belassen, sagte Ardern danach in Wellington:
Ich glaube, ich empfinde so wie alle Neuseeländer gerade fühlen. Alle trauern und ich trauere mit ihnen. Aber ich muss auch meinen Job machen. Ich muss dafür sorgen, dass wir uns um alle Betroffenen kümmern, dass sie Unterstützung und Hilfe bekommen, nicht nur in den nächsten Tagen, sondern auch in den kommenden Monaten und Jahren.