EU zur Lage in Idlib "Wir haben das Potenzial, mehr zu tun"
Was kann die EU zur Deeskalation in Syrien beitragen? Darüber beraten in Zagreb die Außenminister der Länder - nur wenige Stunden nach Beginn einer Waffenruhe. Dass diese hält, daran glaubt in der Region kaum jemand.
Zum Auftakt eines Sondertreffens zur Lage in Syrien hat der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verhaltenen Optimismus verbreitet: "Die Waffenruhe ist eine gute Nachricht", sagte er im Vorfeld der Beratungen mit den EU-Außenministern. Der Schritt zeige "zumindest guten Willen". Es müsse gesehen werden, ob sie auch halte.
Zumindest in großen Teilen scheint der gestern zwischen Russland und der Türkei vereinbarte Waffenstillstand in der Provinz Idlib tatsächlich eingehalten zu werden. Er war um Mitternacht (Ortszeit) in Kraft getreten. Weitgehend herrsche eine gespannte Ruhe, erklärte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. So seien die russischen und syrischen Luftangriffe zunächst eingestellt worden.
Auf dem Boden gebe es inzwischen allerdings weitere Kämpfe zwischen Regierungstruppen und ihren Gegnern, so Rahman. Dabei habe es im Osten der Region auf beiden Seiten Tote gegeben. Die Aktivisten-Organisation sitzt in England, stützt sich bei ihren Angaben auf Angaben von Informanten in Syrien, die aber von unabhängiger Seite oft kaum nachprüfbar sind.
Rebellen: Glauben nicht an Waffenruhe
Der Glaube daran, dass die in Moskau nach sechsstündigen Verhandlungen vereinbarte Waffenruhe hält, ist bei den beteiligten Konfliktparteien nicht groß. "Wir vertrauen der russischen Seite und den Gangs des (syrischen Präsidenten Baschar) al-Assad nicht", erklärte der Sprecher des Rebellenbündnisses Nationale Befreiungsfront, Mustafa Nadschi.
Auch der Sprecher der oppositionellen Syrischen Nationalarmee, Jussif Hammud erklärte, er glaube nicht, dass Russland in der Lage sei, seine Versprechen und Verpflichtungen einzuhalten. "Die Waffenruhe wird nicht halten", sagte er. Da in der Region weiterhin "Terroristen des Regimes" präsent seien, könnten auch die Vertriebenen nicht in ihre Heimatorte zurückkehren. Nur dann hätte ihr Leiden aber ein Ende.
EU-Minister: Müssen Versorgung sicherstellen
Dem Leiden ein Ende bereiten oder es zumindest zu verringern - das ist das Ziel der EU-Außenminister bei ihren Beratungen in Zagreb. Das Wichtigste sei jetzt, sich auf die humanitäre Hilfe für Bevölkerung und Flüchtlinge in Nordwestsyrien zu konzentrieren, sagte Estlands Außenminister Urmas Reinsalu. Er hoffe, dass Russland in der Provinz Idlib mehr humanitäre Korridore für die Versorgung der Menschen zulasse.
Die zwischen Russlands Präsident Wladimir Putin und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan getroffene Vereinbarung sieht einen zwölf Kilometer breiten Sicherheitskorridor entlang einer strategisch wichtigen Autobahn vor.
Bundesaußenminister Heiko Maas sagte im Vorfeld des Treffens, Deutschland habe die UN unterrichtet, dass es kurzfristig bereit sei, zusätzliche 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Zudem sind laut Maas mehrere EU-Staaten bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, die sich an der Grenze zu Griechenland aufhalten.
Litauens Außenminister Linas Linkevicius forderte, die EU müsse mit allen Akteuren des Konflikts sprechen. "Wir haben das Potenzial, mehr zu tun", sagte er. Die Waffenruhe sei eine Chance, "die Situation ruhig zu diskutieren, um eine friedliche Lösung zu finden".
Russland und die Türkei unterstützen in dem Konflikt die verfeindeten Parteien. In Idlib gehen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit russischer Unterstützung seit Dezember massiv gegen die letzte Rebellen-Hochburg vor. Knapp eine Million Menschen sind seitdem nach UN-Angaben in die Flucht getrieben worden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.
Die Türkei unterstützt in der Provinz Rebellengruppen, darunter auch islamistische Gruppierungen. Sie startete ihrerseits vor einigen Tagen eine große Militäroffensive gegen die Regierungstruppen in der Region, nachdem bei einem syrischen Luftangriff auf türkische Beobachterposten 34 Soldaten getötet worden waren. Am Donnerstag wurden zwei weitere türkische Soldaten bei Beschuss durch die syrische Regierungsarmee getötet, wie das Verteidigungsministerium in Ankara mitteilte.