Italienischer Sender RAI In den Klauen der Politik
Vor Kurzem trat in Italien der Chef des öffentlich-rechtlichen Senders RAI ab. Vorausgegangen war ein politisches Gezerre um sein Amt und die Sender-Ausrichtung. Nachfolgen soll ihm nun ein Vertrauter der rechten Ministerpräsidentin Meloni.
Die Viale Mazzini im römischen Stadtviertel Prati steht für die RAI, hier hat die öffentliche Sendeanstalt ihren historischen Hauptsitz. Gerade laufen Umbauarbeiten, die einflussreiche Grande Dame bekommt einen modernen Anstrich verpasst. Auch innerhalb des Gemäuers bleibt kein Stein auf dem anderen, der Chef wurde ausgetauscht.
Für den Vorsitzenden der italienischen Journalistengewerkschaft FNSI, Vittorio Di Trapani, ein unnötiger Wechsel: "Das Schlimme, was in Italien passiert, ist, dass dieser Wechsel mitten in der Amtszeit des CEO erfolgt. Er ist nicht gerechtfertigt und er ist aus keinerlei unternehmerischen Gründen erklärbar. Der Wechsel wurde nur deshalb angekündigt, weil die Regierung gewechselt hat und weil man so tun möchte, als sei es normal, damit auch den CEO des öffentlichen Dienstes auszuwechseln."
Abhängiger von der Regierung
Tatsächlich hält das Wirtschafts- und Finanzministerium 99,5 Prozent an der RAI. Schon in der Vergangenheit war es üblich gewesen, das Personal auszutauschen. Nach einem Parteienproporz wurden die RAI-Sender jahrelang aufgeteilt, doch Anfang 2016 trat eine Reform der Regierung Renzi in Kraft. Damit wurde die RAI weniger abhängig vom Parlament und von den Parteien, aber umso mehr von der Regierung.
Vergangene Woche warf CEO Carlo Fuortes hin. In einem Schreiben an das zuständige Finanzministerium begründet er seinen Rücktritt: "Seit Anfang 2023 ist ein politischer Streit um meine Position und meine Person entbrannt, der zu Schwächung der RAI und des öffentlichen Dienstes beiträgt."
Im Kreuzfeuer der Kritik
Bald nach dem Antritt der rechten Regierung hatte das Hickhack um Programm und Ausrichtung der einflussreichen RAI begonnen. Im Februar etwa echauffierte sich ein Kabinettsmitglied nach dem anderen über manche Auftritte beim Schlagerfestival San Remo, dem Event des Jahres. Immer mehr geriet CEO Fuortes ins Kreuzfeuer der Kritik.
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni jedoch wies jegliche Einflussnahme von sich: "Den Entschluss zurückzutreten, hat Fuortes allein getroffen. Niemand hat ihn gezwungen. Ich weiß nichts davon, dass er unter Druck gesetzt worden ist."
Doch als Oppositionschefin, kurz vor der Wahl, hatte Meloni noch Beschwerde bei der Medienaufsichtsbehörde gegen Fuortes eingelegt. Ihrer Meinung nach hatte der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy die italienische Rechte zu scharf kritisieren dürfen. Als Regierungschefin nun benutzt Meloni einen Trick, um dem Ungeliebten einen prestigereichen Posten in Neapel anzubieten, so Trapani.
Für die Regierung war es nötig, den Posten des CEO von RAI zu räumen. Zu diesem Zweck gab sie per Dekret die Position des Leiters des Teatro San Carlo in Neapel frei. Das Dekret ist ein Instrument, das die Regierung in Notfällen oder dringlichen Fällen einsetzen kann.
Meloni-Vertrauter soll RAI-Chef werden
Doch ein Notfall sei überhaupt nicht gegeben. Die RAI wird künftig ein Tandem leiten, neben Roberto Sergio soll vor allem Giampaolo Rossi der starke Mann werden, ein Vertrauter Melonis.
Als Vertreter der Journalisten in Italien macht sich Trapani große Sorgen, denn noch nie habe der übliche Personalaustausch so unverhohlen stattgefunden. "Die Regierung macht keinen Hehl daraus, dass dies mit dem Ziel geschieht, das Narrativ des Landes zu verändern", sagt Trapani. Und das sei das Gefährliche daran. "Die Regierung will die Führungsspitze des öffentlichen Dienstes auswechseln, um das Narrativ des Landes zu ändern, offensichtlich um es dem Denken der Regierung näher zu bringen", fügt er hinzu.
Doch damit zerstöre man ein wichtiges Stück Demokratie. In Italien - einem Gründungsland der Europäischen Union.