Krise zwischen USA und Iran Nervosität und Diplomatie
Angesichts der Spannungen zwischen den USA und dem Iran verstärken EU und NATO ihre diplomatischen Aktivitäten. Der iranische Botschafter in Berlin kritisiert die zögerliche Haltung Europas. Außenminister Maas warnte in den tagesthemen vor einem "Stellvertreterkrieg" im Irak.
Nach der Tötung des iranischen Generals Kassem Soleimani durch das US-Militär verschärfen die USA und der Iran ihre gegenseitigen Drohungen. Das schürt die Furcht vor einer Eskalation in der Region. International bemüht man sich nun, die Lage in den Griff zu bekommen.
Am Nachmittag kamen Vertreter der NATO-Staaten in Brüssel zusammen, das Bündnis rief zu größter Zurückhaltung auf. Der Iran müsse jede Gewalt und Provokation unterlassen, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg nach der Sitzung.
Bündnis ist besorgt
Alle NATO-Staaten seien sich einig, dass der Iran nie eine Atomwaffe besitzen dürfe. Darüber hinaus sei das Bündnis besorgt wegen der jüngsten "destabilisierenden Aktivitäten" des Iran in der Region. Stoltenberg nannte in diesem Zusammenhang Raketentests, Unterstützung für Terrorgruppen und den Angriff auf ein saudisches Ölfeld im September. Nach den Worten Stoltenbergs stehen die NATO-Mitglieder hinter den USA.
Guterres: "Gefährliche Zeiten"
Auch UN-Generalsekretär António Guterres rief dringend zur Deeskalation auf. "Das neue Jahr hat mit einer Welt in Aufruhr begonnen", sagte Guterres. "Wir leben in gefährlichen Zeiten. Die geopolitischen Spannungen sind so hoch wie noch nie in diesem Jahrhundert", warnte der UN-Generalsekretär.
Derweil verweigerten die USA Regierungskreisen zufolge dem iranischen Außenminister Mohammed Dschawad Sarif ein Visum für eine Anreise zu einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats am Donnerstag in New York.
Mehr Länder würden deswegen "nie dagewesene Entscheidungen mit unvorhersagbaren Konsequenzen und dem tiefgreifenden Risiko von Misskalkulationen" treffen. "Diese Situation kann so nicht weitergehen", sagte Guterres. Seine Botschaft sei klar und deutlich: "Stoppt die Eskalation. Übt maximale Zurückhaltung aus. Nehmt den Dialog wieder auf. Nehmt die internationale Kooperation wieder auf."
Laut US-Außenministerium habe Außenminister Mike Pompeo mit Guterres telefoniert. Dabei sei es auch um die Ereignisse im Nahen Osten gegangen.
Irak: UN-Sicherheitsrat soll Tötung Soleimanis verurteilen
Der Irak hat den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, die gezielte Tötung Soleimani durch das US-Militär zu verurteilen. Die USA hätten mit dem 'Attentat" auf den Chef der Al-Kuds-Brigaden und dem hohen irakischen Milizenkommandeur Abu Mahdi al-Muhandis am Bagdader Flughafen auf krasse Weise gegen die Auflagen für die Präsenz amerikanischer Truppen in seinem Land verstoßen, schrieb der irakische UN-Botschafter Mohammed Hussein Bahr Aluloom in einem Brief an das ranghöchste UN-Gremium.
Das US-Vorgehen stelle «eine gefährliche Eskalation» dar, die einen verheerenden Krieg im Irak, in der Region und der Welt entzünden könnte». Der Sicherheitsrat müsse auch sicherstellen, dass «der Irak nicht in internationale und regionale Krisen hineingezogen» werde, mahnte Bahr Aluloom. Man müsse verhindern, dass sich das "Faustrecht" durchsetze. Es gilt indes als sicher, dass jegliche vom Irak geforderte Maßnahme des Sicherheitsrats von den USA per Veto blockiert wird.
Von der Leyen will Lösungen
Die EU-Kommission will in dem Konflikt zwischen dem Iran und den USA vermitteln. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: "Meine Aufgabe ist es nicht zu bewerten, sondern zu deeskalieren und Lösungen zu finden." Raum für Diplomatie müsse genutzt und jene unterstützt werden, die in dem Konflikt besonnen blieben. Irans Ankündigung, sich nicht mehr an das internationale Atomabkommen zu halten, mache ihr aber große Sorgen.
Der Iran hatte am Sonntagabend angekündigt, sich künftig über die letzten Beschränkungen des Atomabkommens hinwegzusetzen. Die Entscheidung Teherans gilt nach Einschätzung von Beobachtern als Reaktion auf die Tötung Soleimanis.
Maas: Europäer sollen vermitteln
Bundesaußenminister Heiko Maas sagte in den tagesthemen, es sei wichtig, "dass wir als Europäer alle Möglichkeiten nutzen, auf beide Seiten einzuwirken und zu deeskalieren". Er verwies auf das Sondertreffen der EU-Außenminister am Freitag. "Wir wollen dort eine aktive Rolle spielen", sagte er mit Blick auf Vermittlungsbemühungen.
"Wir wollen nicht, dass im Irak ein Stellvertreterkrieg zwischen dem Iran und den USA stattfindet - das würde die gesamte Region im Nahen und Mittleren Osten destabilisieren. Da droht ein Flächenbrand - und dazu darf es nicht kommen", ergänzte der SPD-Politiker.
Kanzlerin Angela Merkel telefonierte mit Iraks Regierungschef Abdel Mahdi, außerdem will sie am Samstag in Moskau mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Lage sprechen.
Iranischer Botschafter kritisiert EU und Deutschland
Der iranische Botschafter in Deutschland, Mahmoud Farazandeh, kritisierte unterdessen die zögerliche Haltung der Europäer in der Iran-Politik scharf. Wenn man jetzt merke, dass man in der Region ohne die USA nicht handeln könne, hätte man etwa den Iran-Atom-Deal gar nicht unterschreiben dürfen, sagte er in einem Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio. "Wenn Sie einen Scheck ausstellen, sollten Sie vorher ihr Konto checken", sagte Farazandeh. "Und Sie sollten Ihre Fähigkeiten kennen, falls Sie Verpflichtungen eingehen."
Auch die deutsche Regierung habe sich nicht konsequent verhalten: Man habe nach dem Ausscheiden der USA aus dem Atom-Deal versprochen, INSTEX zu installieren - ein Abrechnungsprogramm, das unter Umgehung amerikanischer Sanktionen weiterhin den Handel vor allem von EU-Staaten mit dem Iran aufrecht erhalten sollte. "Drei verschiedene Chefs von INSTEX haben mich mehrfach besucht", so der Botschafter. "Es ist 20 Monate her, dass die USA aus dem Deal ausgeschieden sind, und was ist hier passiert? So gut wie nichts." Der Iran stehe nach wie vor zu dem Atomabkommen. Man habe sich aber Schritt für Schritt von fünf einzelnen Verpflichtungen daraus gelöst, da man den wiederholten Versprechungen der Europäer immer weniger Glauben zu schenken bereit sei. "Wir haben jeden unserer Schritte vorher angekündigt. Und jeder dieser Schritte kann rückgängig gemacht werden."
Farazandeh sagte auch, dass der Iran selbstverständlich auf die Tötung Soleimanis reagieren werde. "Es wird eine ähnliche Aktion wie die der USA sein", so der Botschafter - "angemessen, aber ohne Zivilisten, Kulturgüter oder unschuldige Menschen in Mitleidenschaft zu ziehen."